Altersdiabetes bei KindernUnsere Kinder sind zu dick

Es klingt paradox, aber die Altersdiabetes tritt immer häufiger auch bei Kleinkindern auf. Unsere Kindern sind oftmals zu dick und ernähren sich falsch. Dies fördert eine Diabetes Mellitus bei Kindern enorm.

Unsere Kinder sind zu dick
© kwanchaichaiudom - iStock

Deutschlands Kinder werden immer dicker. Schon bevor sie in die Schule kommen, sind viele übergewichtig. Seit einiger Zeit tritt deshalb eine Erkrankung auch vermehrt unter Kindern und Jugendlichen auf, die bis vor wenigen Jahren nur Menschen über 40 betraf: Diabetes mellitus Typ 2, besser bekannt unter "Altersdiabetes" (siehe Kasten).

Falsche Ernährungsgewohnheiten

In den USA und Japan kam es schon in der 90er Jahren zu einem starken Anstieg der "Altersdiabetes". Rund die Hälfte aller jugendlichen Diabetiker sind dort am Typ 2 erkrankt. Von einer Epidemie kann in Deutschland zum Glück noch keine Rede sein. Im Jahr 2001 zählte man in 140 Diabeteszentren für Kinder erst 72 Patienten mit Typ 2-Diabetes. Experten rechnen jedoch damit, dass der Typ 2 bei Kindern auch in Deutschland zukünftig häufiger vorkommen wird als der Typ 1, wenn sich an den Ernährungsgewohnheiten nichts ändert.

Problematisch im Hinblick auf eine Diabeteserkrankung sind vor allem süße Zwischenmahlzeiten und Getränke. Sie sind preiswert, ohne Aufwand jederzeit verfügbar und schmecken Kindern gut. Obst und Gemüse dagegen sind verhältnismäßig teuer. Sie müssen ebenso wie Milchprodukte öfter frisch eingekauft und für Kinder geputzt oder geschält, kleingeschnitten und in ansprechender Form serviert werden. Viele Kinder essen nicht nur zu süß, zu fett und zu viel - sie bewegen sich auch immer weniger. Ihnen fehlt der Platz zum Klettern und Toben und die Anregung, sich körperlich zu betätigen. Stattdessen sehen sie in ihrer Freizeit mehr fern oder beschäftigen sich mit dem Computer.

Soziale Unterschiede

Eine Studie des Niedersächsischen Landesgesundheitsministeriums, bei der man die Daten von 260 000 Schulanfängern im Weser-Ems-Gebiet und einigen anderen Regionen auswertete, kam zu folgendem Ergebnis: Sowohl bei den Mädchen als auch bei Jungen stieg der Anteil der Übergewichtigen von 1993 bis 2003 auf über zehn Prozent. 5,1 Prozent der Mädchen und 4,6 Prozent der Jungen wurden 2003 sogar als im medizinischen Sinn fettleibig eingestuft. Besonders dramatisch ist die wachsende Körperfülle bei den fünf- bis siebenjährigen Kindern ausländischer Herkunft: Seit 1993 verdoppelte sich der Anteil der Übergewichtigen bei den Jungen von 7,6 auf 14,9 und bei den Mädchen von 7,8 auf 15 Prozent.

"Je niedriger der Schul- und Berufsabschluss der Eltern, desto größer ist der Anteil übergewichtiger Kinder", erläutert Dr. Elke Bruns-Phillips vom Landesgesundheitsminsterium die Ergebnisse. "Dick mit dumm und arm gleichzusetzen, schafft jedoch nur Vorurteile und ist wenig hilfreich", warnt sie. "Kein Kind ist absichtlich zu dick. Viele Umweltfaktoren kommen zusammen. Für eine türkische Mutter etwa ist ihr moppeliges Kind, ein gesundes und starkes Kind." Menschen mit ethnischer Herkunft aus Südamerika, Asien und Arabien sind, so Bruns-Phillips, besonders stark von Fettleibigkeit und ihren Folgen betroffen.

Der Krankheit vorbeugen

Dass Typ 2-Diabetes eine typische und verbreitete Folge von Fettleibigkeit ist, gilt als unumstritten. Wie stark die Gene die Entstehung von Fettleibigkeit beeinflussen, darüber sind sich die Wissenschaftler noch nicht einig. Wenn es in der Familie bereits Fälle von Typ 2-Diabetes gibt, ist dies auf jeden Fall ein weiterer Risikofaktor.

Um einer Erkrankung vorzubeugen, sollten Kinder am besten ein möglichst normales Gewicht halten. Sind sie bereits stark übergewichtig, lässt sich der Ausbruch von Typ 2-Diabetes durch Gewichtsabnahme verhindern. Das ist jedoch leichter gesagt als getan. Die überflüssigen Kilos verschwinden bei Kindern nur dann, wenn die ganze Familie mitmacht. Dauerhaften Erfolg verspricht allein eine Umstellung der Ernährung auf eine ausgewogene Kost und mehr Bewegung im Alltag.

Dem Kindergarten kommt bei der Vorbeugung eine wichtige Rolle zu. Ideal wäre es, täglich ein "gesundes" Frühstücksbüfett mit Vollkornbrot, Butter, Käse, Müsli, Milch, Joghurt und Obst anzubieten. Die Büfettform ermöglicht es jedem Kind, nach seinem Hungergefühl zu entscheiden, ob und wann es etwas essen möchte. Alle Kinder haben das gleiche Angebot, Süßigkeiten oder Salzgebäck als Zwischenmahlzeit sind nicht erlaubt. Wer ein gesundes Frühstück gegessen hat, darf sich zum Beispiel noch ein Weizenknäckebrot mit Schokostreuseln zubereiten. So lernen die Kinder nebenbei, was gesunde und weniger gesunde Nahrungsmittel sind. Letztere sind aber nicht verboten, sondern in Maßen erlaubt. Der positive Effekt verstärkt sich noch, wenn die Kinder abwechselnd zusammen mit einem Betreuer die Produkte für das "gesunde" Frühstück selbst einkaufen können.

kizz Info

Diabetes mellitus

Zur Zeit leben in Deutschland rund 20 000 Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus Typ 1. Bei ihnen produziert die Bauchspeicheldrüse nicht mehr ausreichend oder gar kein lebenswichtiges Insulin mehr. Die Ursachen für diese Erkrankung sind noch nicht ausreichend erforscht. Die Behandlung besteht in der Zufuhr von Insulin, das mit der Ernährung abgestimmt gespritzt werden muss. Nach dem heutigen Stand der Forschung ist Diabetes mellitus Typ 1 nicht heilbar.

Beim Diabetes mellitus Typ 2 produziert der Körper weiterhin Insulin, zu Beginn der Erkrankung häufig sogar mehr als bei einem Mensch ohne Diabetes. Der Krankheit voraus geht fast immer eine jahrelange Überernährung bei gleichzeitigem Bewegungsmangel mit einer starken Gewichtszunahme. Weil ständig neue Zuckerbausteine ins Blut gelangen, kurbelt die Bauchspeicheldrüse die Insulinproduktion an. Nur wird das Insulin verspätet nach einer Mahlzeit freigesetzt und der Körper spricht im Laufe der Zeit nicht mehr richtig darauf an. Das führt zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel, ohne dass der Betroffene es im Anfangsstadium bemerkt. Deshalb bleibt die Erkrankung zunächst häufig unerkannt.

Zur Früherkennung wäre ein Glukosebelastungstest notwendig. Dabei wird der Blutzuckergehalt nach dem Trinken eines süßen Getränkes gemessen. Es gibt inzwischen den Vorschlag, ihn zur Früherkennung bei stark übergewichtigen Kindern einzusetzen. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, drohen schwere Folgeschäden wie etwa Bluthochdruck, der wiederum ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte nach sich zieht. Diabetes mellitus Typ 2 lässt sich in erster Linie durch eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung vermeiden und ebenso erfolgreich behandeln.

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