Herr Bürger, raten Sie Eltern zu einer homöopathischen Behandlung ihrer Kinder bei Husten, Schnupfen oder Fieber?
Akute Erkrankungen, wie Erkältungskrankheiten, heilen in aller Regel auch ohne Behandlung folgenlos aus. Doch mit der passenden Mittelwahl gelingt es oftmals sehr viel rascher, die Symptome abzumildern und es damit für das Kind erträglicher zu machen. Ich rate demnach zu einer homöopathischen Therapie immer mit der Option, dass die Eltern bei fehlender Wirksamkeit auf eine schulmedizinische Behandlung zurückgreifen können.
Welche Vorteile hat die Homöopathie hier gegenüber der Schulmedizin? Wo liegen ihre Grenzen?
Der Homöopathie gelingt es, der Erkrankung die Spitze zu nehmen. Dies geschieht ohne Nebenwirkungen. Ein ganz großer Vorteil ist, dass man bei der Behandlung ziemlich schnell sehen kann, ob das richtige Mittel gefunden wurde: Verbessern sich die Symptome nicht noch am gleichen Tag, war die Mittelwahl falsch und das Kind bedarf einer weiteren homöopathischen oder schulmedizinischen Behandlung.
Die Homöopathie kann sehr komplex sein. Nicht immer ist es möglich, in der Kürze der Zeit, die uns pro Patient zur Verfügung steht, das passende Mittel zu finden. Bei einigen akuten Erkrankungen ist jedoch kein Raum für eine Fehlinterpretation. Jeder Homöopath sollte daher seine Fähigkeiten und Grenzen gut einschätzen können und im Zweifel den sicheren, schulmedizinischen Weg wählen.
Eignet sich die Homöopathie zur Selbstbehandlung bei Erkältungen?
Ganz sicher! Eltern sollten es zumindest versuchen, die Zeit dafür haben sie immer. Gerade wenn sie gleich zu Beginn homöopathisch behandeln, kann der Verlauf sehr gut abgemildert werden. Für den Hausgebrauch benötigen Eltern dafür gar nicht so viele Mittel.
Wie finden Eltern das geeignete Mittel und die richtige Dosierung?
Die Dosierung und die Wahl der Potenz sind bei den Erkältungskrankheiten nicht von entscheidender Bedeutung. Passt das gewählte Mittel, so wird es auch seine positive Wirkung entfalten. Im Allgemeinen hat sich bei uns in der Praxis die Gabe einer C30 Potenz bewährt. Es gibt einige überschaubare homöopathische Ratgeber, die von Eltern für die Behandlung akuter Erkrankungen durchaus erfolgreich angewendet werden können.
Was gilt es bei der Anwendung zu beachten?
Bei akuten grippalen Erkrankungen ist es praktisch nie notwendig, ein Mittel über einen längeren Zeitraum zu geben. Wurde es gut gewählt, wirkt es sehr rasch, sicherlich in den ersten ein bis zwei Tagen. Zeigt es keine Wirkung, muss die Gabe beendet werden. Wir raten dazu, die Medikamente nicht in der Nähe von elektronischen Geräten aufzubewahren. Die gleichzeitige Gabe von verschiedenen Mitteln sollte vermieden werden. Auch stehen kampferhaltige Salben sowie Pfefferminze oder Menthol im Verdacht, die Wirkung des Mittels zu reduzieren. Hier sind 30 Minuten Abstand zur Mittelgabe ratsam. Wichtig zu wissen ist außerdem, dass nach anfänglich guter Wirkung eines Mittels die Heilung stagnieren kann und ein anderes, sogenanntes Folgemittel notwendig ist.
Wann sollen Eltern unbedingt einen Arzt aufsuchen?
Im Zweifel besser einmal mehr! Wenn Säuglinge erkrankt sind und fiebern, möchte ich es als Arzt zunächst sofort wissen. Bei älteren Kindern kommt es auch auf die Erfahrung der Eltern an. Hinweisend auf eine schwerwiegendere Erkrankung ist, wenn das Fieber länger als drei Tag anhält, mit einem Fieberkrampf einhergeht oder trotz Behandlung nicht sinkt. Auch wenn das Kind zunehmend die Nahrung, insbesondere Flüssigkeit, verweigert oder weitere Krankheitszeichen (Durchfall, Erbrechen oder Hautausschlag) hinzukommen, sollte der Gang zum Arzt selbstverständlich sein.
kizz Info
Homöopathie – die sanfte Medizin
Hochverdünnte, natürliche Substanzen sind die Basis homöopathischer Arzneien, die in einem speziellen Verfahren, der Potenzierung, zu Globuli verarbeitet werden. Die Mittel regen die Selbstheilungskräfte des Körpers an. Dabei gilt das Ähnlichkeitsprinzip: Gegen die Krankheit wird der Wirkstoff angewandt, welcher beim gesunden Menschen möglichst ähnliche Krankheitssymptome auslösen würde. Ein Beispiel aus dem Alltag: Wenn wir Zwiebeln schneiden, tränen uns oftmals die Augen, die Nase fängt an zu laufen oder wir müssen niesen. Der homöopathische Umkehrschluss: Wer unter akutem Fließschnupfen leidet, dem hilft der Wirkstoff der Küchenzwiebel.
Samuel Hahnemann, ein Arzt und Chemiker aus Leipzig, entwickelte das Therapiekonzept Ende des 18. Jahrhunderts. Viele Schulmediziner setzen heute zusätzlich homöopathische Behandlungsmethoden ein.
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Homöopathische Mittel bei Erkältungsinfekten
Aconitum (Eisenhut): Mittel für das erste Krankheitsstadium. Die Beschwerden setzen plötzlich (oft nachts) und heftig, meist mit hohem Fieber, ein. Die Erkrankung wurde häufig durch Unterkühlung, kalten Wind oder Zugluft begünstigt. Bei Fieber schwitzt das Kind wenig (trockene, heiße Haut), ist unruhig und ängstlich. Zusätzlich können heftige Ohrenschmerzen, trockener Husten, Heiserkeit oder Halsschmerzen mit Schluckbeschwerden bestehen.
Allium cepa (Küchenzwiebel): Das Kind hat wässrigen Fließschnupfen. Die Nase läuft, Nasenflügel und Oberlippe sind wund. Oft sind die Augen gerötet. Die Beschwerden bessern
sich im Freien.
Bryonia (Zaunrübe): Erkältung mit trockenem Husten, der Brustschmerzen verursacht. Das Kind hat Lust auf kalte Getränke. Es ist abweisend, gereizt und möchte seine Ruhe haben.
Drosera (Sonnentau): Erkältung mit krampfartigen Hustenattacken. Der Reizhusten tritt insbesondere nachts im Liegen auf, vor allem nach Mitternacht.
Pulsatilla pratensis (Küchenschelle): Das Kind ist weinerlich und anhänglich. Das Nasensekret ist weißlich-rahmig und macht nicht wund. Oft besteht auch Husten mit gelblichem Auswurf morgens.
Solanum dulcamara (Bittersüß): Passend bei Ohrenschmerzen, die bei nasskaltem Wetter oder nach dem Schwimmen auftreten. Oft besteht auch ein Schnupfen mit viel dickem Schleim.
Clemens Bürger ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Homöopathie. Er führt zusammen mit einem Kollegen die Praxis ARCHE in March-Hugstetten und Umkirch und hat zwei Kinder.