Regina Mössner ist klassische Homöopathin und Dozentin an der Akademie für Homöopathie in Gauting bei München. Im Interview mit kizz beantwortet sie oft gestellte Fragen zum Thema Homöopathie.
Was genau ist klassische Homöopathie?
Die klassische Homöopathie geht davon aus, dass für einen Kranken, der unter diversen Symptomen leidet, nur ein Mittel das Richtige ist. Der Homöopath sucht deshalb für jeden Patienten und sein individuelles Krankheitsbild das passende Mittel. Das soll "ins Schwarze" treffen.
Was halten Sie als klassische Homöopathin von den so genannten Komplexmitteln, die mehrere homöopathische Substanzen als Mischung enthalten?
In der Komplexmittel-Therapie hofft man, dass die Mischung das eine, gesuchte Mittel enthält. Man erspart sich damit das lange Patienten-Gespräch und die aufwändige Analyse. Aber es kann natürlich passieren, dass das richtige Mittel nicht dabei ist. Und Mittel, die sozusagen "daneben" liegen, können Symptome unterdrücken oder andere hervorrufen. Daher sollte man Komplexmittel nicht ohne fachliche Betreuung und nicht über längere Zeiträume hinweg einnehmen. Denn auch hier sollte, wie in der klassischen Homöopathie, sehr genau beobachtet werden, ob die Veränderungen in die richtige Richtung gehen.
Können Eltern zu homöopathischen Mitteln greifen, ohne zum Arzt zu gehen?
Das halte ich für schwierig, denn man muss sich schon auskennen. In manchen Fällen haben die Eltern eine ganz gute Hand und finden im akuten Fall die richtigen Globuli. Das funktioniert aber meist dann, wenn die Kinder oder auch die Eltern schon eine ganze Weile in homöopathischer Behandlung sind. Also wenn sie das Prinzip kennen, nach dem die Mittel ausgewählt werden. Es kommt aber leider immer wieder vor, dass Eltern zu viele Mittel in zu kurzer Zeit geben. Dadurch kann sich die Symptomatik so ändern, dass das ursprüngliche Krankheitsbild für den Homöopathen kaum mehr zu erkennen ist. Solche "verdorbenen" Fälle, wie einer meiner wichtigsten Lehrer es ausdrückte, sind schwierig und oft erst nach längerer Wartezeit behandelbar.
Bei chronischen Symptomen wie Allergien oder Bettnässen wird eine lange Anamnese durchgeführt, in der es um das "Wesen" des Kindes geht. Lässt man diese bei akuten Krankheiten außer Acht?
Nein. Auch dann gibt die psychische Verfassung oft wichtige Hinweise darüber, welche Arznei gebraucht wird. Deshalb frage ich in Akutfällen immer nach der Stimmungslage des Kindes. Also ob es zum Beispiel weinerlich ist und Nähe sucht. Andere distanzieren sich, werden reizbar oder apathisch. Allerdings ist das bei Erwachsenen nicht viel anders.
Findet der Homöopath das Mittel leichter oder schwerer bei Kindern?
Das kann beides der Fall sein. Kleinkinder, die noch nicht sprechen, können ihre Probleme ja schwer beschreiben. Da braucht es eine gute Beobachtungsgabe und Erfahrung, um das Krankheitsbild erkennen zu können. Auf der anderen Seite sind Kinder noch in der Lage, deutliche Symptome zu haben, geben oft spontaner Auskunft und interpretieren nichts in die Krankheit hinein.
Gibt es kinderspezifische Mittel?
Ja, vor allem in der chronischen Behandlung gibt es Mittel, die man häufig bei Kindern einsetzt. Beispielsweise Calcium carbonicum, Pulsatilla oder Tuberkulinum. Aber diese sind auch bei der Behandlung von Erwachsenen nicht wegzudenken.
Welche Mittel haben sich beispielsweise bei einer Ohrenentzündung besonders bewährt?
Das Mittel Aconitum kommt zum Beispiel in Frage, wenn die Ohrenentzündung durch kalten Wind entstanden ist und sich der Zustand sehr schnell entwickelt. Stürmisch, wie der Name "Sturmhut" für Aconitum schon andeutet, gepaart mit heißen, roten Ohren und Ängstlichkeit. Ist das Kind weinerlich, braucht Streicheleinheiten und hat keinen Durst, dann gibt man besser Pulsatilla. Im Chamomilla-Zustand ist das Kind oft unausstehlich und beruhigt sich nur, wenn man es auf dem Arm herumträgt.
Das Gespräch führte Kathrin Burger.