Gute KinderfilmeDas Happy End ist ein Muss

kizz sprach mit Beate Völcker, Filmdramaturgin und Filmpädagogin aus Berlin, über gute Kinderfilme.

Gute Kinderfilme: Das Happy End ist ein Muss
© t.tomsickova – iStock

Frau Völcker, was macht einen guten Kinderfilm aus?
Kinder sollen sich in der Geschichte wiederfinden können – mit ihren Erfahrungen und Erlebnissen, mit den Fragen, die sie im Gepäck haben, den bewussten wie den unbewussten, mit ihren Wünschen und Bedürfnissen. Ein guter Kinderfilm nimmt Kinder ernst, erzählt nicht von oben herab, aus der Erwachsenenperspektive, sondern auf Augenhöhe mit seinem Publikum. Wie jedes gute Kunstwerk fordert er sein Publikum auch heraus, macht neugierig, regt die Fantasie an und ist natürlich künstlerisch und handwerklich auf hohem Niveau.

Nennen Sie ein Beispiel für einen Kinderfilm, der das einlöst?
Glücklicherweise könnte ich da mittlerweile eine ganze Reihe aufzählen, aber lassen Sie mich einen nennen, der im Kino völlig unverdient ein bisschen untergangen ist und der sich schon für jüngere Kinder ab fünf Jahren eignet, nämlich der Animationsfilm „Die drei Räuber“ nach dem Buch von Tomi Ungerer. Die Heldin Tiffany erlebt etwas, womit sich viele Kinder an irgendeinem Punkt gedanklich beschäftigen, nämlich den Verlust der Eltern. Und gemeinsam mit dieser witzigen, ein bisschen frechen und sehr mutigen Heldin erleben sie ein wunderbares Abenteuer mit den drei Räubern und einer fiesen Tante, an dessen Ende Tiffany ein neues Zuhause findet. Das alles in einer wunderbar eigenen künstlerischen Handschrift gestaltet.

Gibt es Geschichten oder Themen, die Kinder besonders interessieren?
Die gibt es natürlich. In einem bestimmten Alter ist zum Beispiel das Thema Freundschaft ganz wichtig. Kinder lieben Abenteuer, auch Tierfilme faszinieren sie. Aber Kinder sind tatsächlich auch neugierig und offen für Fremdes und Ungewohntes, wenn man sie als Eltern ein bisschen an die Hand nimmt und ihr Interesse weckt. Das sollte man durchaus nutzen, denn im Kindesalter können auch Weichen gestellt werden für die Geschmacksentwicklung.

Was ist für Kinder noch besonders wichtig? Ich denke Identifikationsmöglichkeiten und Humor. Kinder wollen emotional andocken können an die Hauptfigur, oder im Kinderfilm ist es ja oft auch eine Gruppe von Kindern. Und Lachen tun nicht nur Kinder gerne, aber Humor ist für sie auch besonders wichtig, um Spannungen abzubauen, die ein Film ja immer produziert und auch braucht, wenn er funktionieren soll.

Wie können Eltern feststellen, ob ein Film für ihr Kind geeignet ist? Wann sind Kinder überfordert?
Die Freigaben der FSK sind eine erste wichtige Richtschnur, aber sie sagen eben nur aus, ob ein Film einer bestimmten Altersgruppe schaden könnte, nicht ob er geeignet ist. Man muss sich im Vorfeld informieren und sollte Filme auch immer mit seinem Kind zusammen sehen und es nicht allein lassen. Dadurch entwickelt man ein Gefühl für das, was das eigene Kind sehen kann und mag, denn Kinder reagieren sehr unterschiedlich auf Filme.

Wie können sich Eltern über Kinderfilme informieren?
Mittlerweile berichtet die Filmkritik – in Zeitungen, Zeitschriften, Veranstaltungsmagazinen – umfassender über Kinderfilme und ist daher eine gute Quelle. Es gibt auch Informationsangebote direkt von und für Kinder, zum Beispiel die Bewertungen der Jugendjury bei der Filmbewertungsstelle www.jugend-filmjury.com oder die Webseite www.kinderfilmwelt.de.

Wie viel Grusel und Gewalt vertragen Kinder ab dem Vorschulalter?
Im Vorschulalter nicht sehr viel! Natürlich darf Grusel vorkommen, denn Kinder gruseln sich ja auch im „echten“ Leben. Aber – und Gleiches gilt für Gewalt – der Erfahrungshorizont der Kinder ist das Maß. Die Szenen dürfen zudem nicht zu lang ausgespielt sein und müssen durch entlastende Momente, zum Beispiel das befreiende Lachen, abgelöst werden.

Kinder haben eine andere Wahrnehmung als Erwachsene. Welche Rolle spielt das im Kinderfilm?
Kinderfilme, insbesondere die für die Jüngsten, stellen sich auf ihre Zielgruppe ein, ohne sie „kleiner“ zu machen. Sie erzählen vielleicht ein bisschen langsamer, linearer und achten sorgfältig auf die Modulierung von Spannung und Action.

Wie erleben Kinder Filme: Steigen sie emotional mehr in die Geschichte ein? Macht sie das „verletzbarer“?
Auf jeden Fall. Kinder erleben Filme viel unmittelbarer, direkter und haben viel weniger Möglichkeiten als die Erwachsenen, sich vom Geschehen zu distanzieren, wenn es beispielsweise zu spannend oder belastend wird. Für die jüngeren ist es auch noch gar nicht einfach, zwischen real und fiktional zu unterscheiden. Oft ist das, was auf der Leinwand passiert, für sie „wie echt“. Und sie erleben es so. Das macht sie eben „verletzbarer“.

Wie wichtig ist ein Happy End für Kinder?
Für jüngere Kinder ist das Happy End ein Muss. Filme bedeuten – neben allem Spaß und der guten Unterhaltung – ja immer auch eine Anspannung und ein Mitfiebern, ob auch alles gut ausgeht. Wie gesagt, Kinder erleben das noch viel intensiver als Erwachsene. Deshalb braucht es im Grunde die Gewissheit, dass es am Ende gut ausgeht. Aber auch noch aus einem weiteren Grund ist das Happy End wichtig: Kinder sind ja erst dabei, die Welt zu entdecken und sich anzueignen. Das erfordert Mut und sie brauchen dafür jede Ermutigung. Lässt sich ein Filmheld oder eine Filmheldin auf ein Abenteuer ein – und die Kinder im Publikum ja mit ihm –, dann soll er oder sie nicht scheitern, sondern am Ende etwas gewonnen haben.

Viele Kinder schauen Filme auf dem heimischen Bildschirm. Was spricht für einen Kinobesuch?
Das Kino bietet eine andere Erlebnis- und Wahrnehmungsqualität. Der dunkle Saal, die große Leinwand. Man ist konzentrierter. Man sieht den Film mit vielen anderen Menschen, auch das ist eine andere Qualität. Der Kinobesuch ist seltener und meistens ein herausgehobenes Erlebnis von besonderem Stellenwert.

Und welches war Ihr Lieblingsfilm, als Sie ein Kind waren?
Ich habe meine Kindheit in den 60ern und Anfang der 70er in Westdeutschland in einem Ort ohne Kino verbracht. Kinderfilm fand im Fernsehen und vor allem als Kinderserie statt. Aber zur Weihnachtszeit haben wir immer die Klassiker gesehen – besonders „Der Zauberer von Oz“ habe ich sehr geliebt.

Beate Völcker ist Filmdramaturgin und Filmpädagogin aus Berlin.

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