Was bringt die neue Meldepflicht für Kitas?Impfberatung für Eltern

Schon seit 2015 ist der Nachweis über eine Impfberatung Voraussetzung für die Aufnahme in eine Kita. Ein im Juli 2017 verabschiedetes Gesetz hat diese Regelung verschärft. Die Kinderärztin Friederike Rühling erläutert die Hintergründe und hinterfragt die Wirksamkeit des Gesetzes.

Impfberatung für Eltern
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Hierzulande haben Kinderärzte die Pflicht, Eltern über empfohlene und mögliche Impfungen sowie über die entsprechenden Krankheiten und eventuelle Nebenwirkungen der Impfungen zu informieren. Diese Beratung findet insbesondere im ersten Lebensjahr des Kindes im Rahmen der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen statt. Gleichzeitig gehört es zu ihren Aufgaben, bei jedem Patientenkontakt den Impfstand zu überprüfen und über fehlende Impfungen zu sprechen. Gegen welche Krankheiten und wann geimpft werden sollte, empfiehlt die „STIKO“ (Ständige Impfkommission). Das Expertengremium gibt jährlich überarbeitete Impfempfehlungen für Deutschland heraus, anhand derer die meisten Ärzte, insbesondere die Kinder- und Jugendärzte, ihre Patienten impfen.

Die Kitas in der Pflicht

Im Juli 2017 haben Bund und Länder das „Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten“ verabschiedet. Seitdem ist die Leitung einer Kita verpflichtet, das Gesundheitsamt zu benachrichtigen, wenn Eltern den erforderlichen Nachweis über eine ärztliche Impfberatung nicht vorgelegt haben. Damit erhalten die Gesundheitsämter die nötige Handhabe, auf diese Eltern zuzugehen und sie zur Beratung zu laden. Bereits seit 2015 müssen Eltern vor Aufnahme ihres Kindes in eine Kita einen Nachweis darüber erbringen, dass eine ärztliche Beratung in Bezug auf den Impfschutz des Kindes erfolgt ist. Wer eine Impfberatung hartnäckig verweigert, dem droht eine Geldbuße von 2.500 €. Bisher war es den Kitas jedoch überlassen, ob sie eine fehlende Beratung melden oder nicht. Warum nun dieses Gesetz? Das Bundesgesundheitsministerium will mit der Pflichtberatung eine Erhöhung der Durchimpfungsrate erreichen. Nur mit einer hohen Impfquote kann neben dem individuellen Schutz auch ein Schutz der Allgemeinheit erreicht werden. So gibt es Erkrankungen, die besonders im Säuglings- oder Kleinkindalter gefährlich sind. Eine Keuchhusteninfektion ist jenseits dieses Alters meist nur sehr hartnäckig und belastend und kann auch mal zu wochenlangem Schul- oder Arbeitsausfall mit den entsprechenden Folgen führen. Insbesondere für junge Säuglinge ist sie jedoch lebensbedrohlich, da es zu Atemaussetzern u. a. kommen kann. So sind 2016 immerhin drei Säuglinge in Deutschland an den Folgen einer Keuchhustenerkrankung verstorben (Stat. Jahrbuch des Robert Koch Instituts für 2016). Aber auch andere Erreger wie Pneumokokken oder Haemophilus influenzae können vor allem für Säuglinge und junge Kleinkinder durch schwerste Krankheitsverläufe bis hin zur Lungen- bzw. Hirnhautentzündung (lebens-)gefährlich werden.

Sich und andere schützen

Indem man dafür sorgt, dass Personen aus dem Umfeld, also auch die (Geschwister-)Kinder in einer Kita, einen vollständigen und aktuellen Impfschutz haben, schützt man Neugeborene und sehr junge Säuglinge, bis sie einen eigenen Impfschutz aufgebaut haben.
Außerdem gibt es Menschen mit angeborenen Immundefekten sowie solche unter Chemotherapie oder anderen Therapien, welche die Funktion ihres Immunsystems vermindern. Diese können unter Umständen bestimmte Impfungen nicht erhalten oder aber selbst keinen Impfschutz aufbauen. Sie haben aber aufgrund ihrer Erkrankung oder der Therapien ein deutlich erhöhtes Risiko für schwer verlaufende Infektionen. Hinzu kommt, dass nahezu keine Impfung einen hundertprozentigen Schutz bietet und immer einige Menschen trotz Impfung keinen ausreichenden Impfschutz haben. Um diese Personen vor einer Infektion schützen zu können, braucht man eine hohe Durchimpfungsrate aller anderen, damit die Erkrankungen gar nicht erst auftreten.
Mit solch einer hohen Durchimpfungsrate gelang es übrigens, die Pocken auszurotten. Für Masern ist dies ebenfalls ein erklärtes Ziel der WHO (Weltgesundheitsorganisation) sowie der deutschen Gesundheitspolitik – mit den derzeitigen Impfquoten ist dies jedoch nicht zu erreichen.
Ob eine verbesserte Impfquote jedoch durch das nun beschlossene Gesetz erreicht werden kann, bleibt fraglich. Während meiner Tätigkeit als Kinderärztin habe ich zwar einzelne komplette „Impfverweigerer“ kennengelernt, die Beratung hat jedoch bisher noch niemand abgelehnt. Meiner Meinung nach sollte eine Meldung über eine verweigerte Impfberatung, wenn nötig, durch uns Ärzte an das Gesundheitsamt weitergeleitet werden. Dann läge die Verantwortung nicht bei den Kita-Leitungen. Denn eine solche Meldung könnte das Vertrauensverhältnis zwischen Leitung und Eltern gefährden.
Laut Bundesgesundheitsministerium will man mit dem Gesetz jedoch auch die Eltern erreichen, die das Fortführen der Impfungen vergessen haben. Kommen Eltern für die Kitabescheinigung in die Praxis, werden sie jedoch bereits dann von den Kinderärzten an fehlende Impfungen erinnert, diese werden bestenfalls gleich durchgeführt oder entsprechende Termine vereinbart. Eine weitere Erinnerung das Gesundheitsamt erscheint mir hier überflüssig. Meine Erfahrung in unserer Kinderarztpraxis in Weimar ist die, dass der weitaus überwiegende Teil der Eltern ihre Kinder nahezu vollständig nach STIKO-Empfehlung impfen lässt. Einige Eltern fangen später mit den Impfungen an und/oder wollen ihre Kinder nur gegen einen Teil der Erkrankungen impfen. Eltern, die ihre Kinder überhaupt nicht impfen lassen, gibt es hier sehr wenige. Das mag in anderen Regionen Deutschlands anders sein. Doch auch dort wurde mit ihnen bis zum 2. Lebensjahr mehrfach über das Thema Impfen gesprochen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein weiteres Gespräch beim Gesundheitsamt etwas an ihrer Einstellung ändert, da die Ablehnung bei diesen Eltern meist tief verwurzelt ist: Oft stammen sie aus Familien, die das Impfen ablehnen, es gab vermeintlich schwere Impfreaktionen im engen Familien- oder Freundeskreis o. Ä. Ob man diese Eltern mit einem Pflichtgespräch und der Androhung eines Bußgeldes erreicht, scheint fraglich. Ich sehe eher die Gefahr, dass durch den von anderer Stelle erzeugten Druck die Fronten zwischen Impfbefürwortern und -gegnern weiter verhärtet werden.
Um die Impfquote weiter zu verbessern, sollte noch mehr über die positive Wirkung der Impfungen aufgeklärt, müssten falsche Informationen, die reichlich kursieren, richtig gestellt werden. Es stellt sich die Frage, ob der Kontrollmechanismus nicht an anderer Stelle ansetzen muss: Sollten nicht besser wir Kinderärzte nachweisen, dass wir eine umfassende Beratung entsprechend der STIKO-Empfehlung tatsächlich durchgeführt haben? Schließlich gibt es einige Ärzte, die einzelne Impfungen kritisch sehen, eine individuelle Impfentscheidung fordern oder aber Impfungen sogar grundsätzlich ablehnen.

Was passiert beim Impfen?

Dem Körper werden abgeschwächte oder abgetötete Erreger oder Bestandteile derselben in den Muskel oder unter die Haut gespritzt oder über den Mund zugeführt. Dies führt dazu, dass der Körper sein Immunsystem aktiviert, welches gegen die eingedrungenen Substanzen Abwehrstoffe bildet. Kommt der Mensch zu einem späteren Zeitpunkt mit den entsprechenden natürlichen Erregern (Viren oder Bakterien) in Kontakt und infiziert sich, kann der Körper sehr schnell gezielte Abwehrstoffe mobilisieren und so eine Erkrankung verhindern oder aber zumindest in ihrer Schwere stark abmindern.  

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