Projektarbeit & PartizipationDie Wahl ist eröffnet!

Projekte eignen sich besonders gut, um unter Dreijährige an Entscheidungen zu beteiligen und spielerisch an demokratische Grundregeln heranzuführen.

Die Wahl ist eröffnet
© Harald Neumann

Der Kindergarten St. Franziskus arbeitet nach dem Konzept der Offenen Arbeit. Lediglich zum Morgenkreis treffen sich die Jungen und Mädchen in festen, jahrgangsbezogenen Gruppen, so auch die Jüngsten der Einrichtung. Die meisten von ihnen haben ihren zweiten Geburtstag schon gefeiert, somit steht nun bald ihr erstes Kita-Projekt an. Das konkrete Thema wählen die Kinder zuvor in einer parlamentarischen Abstimmung selbst.
Im Vorfeld des Projekts beobachten die pädagogischen Fachkräfte den Entwicklungsstand der Kinder und tauschen sich dazu aus. Sie überlegen gemeinsam, welche Themen zur Wahl stehen könnten – besonders geeignet für ein erstes Projekt ist das Thema Tiere. Im Garten der Einrichtung lebt z.B. ein Eichhörnchen, das von den Kindern oft dabei beobachtet wird, wie es klettert und springt und Vorräte für den Winter sammelt. So liegt es auf der Hand, dass es sich bei einem der vorgeschlagenen Themen um das Eichhörnchen handeln wird. Passend dazu wird der zweite Vorschlag der Igel sein, auch dieses Tier haben die meisten Kinder schon einmal im Kita-Garten beobachtet. Die Fachkräfte suchen von Igel und Eichhörnchen je ein Foto aus, drucken die Bilder in DIN A3 aus und laminieren sie. Anschließend werden die Fotos mit vier Papierbogen (DIN A5) abgedeckt und diese an den Kanten mit durchsichtigem Klebeband befestigt. Vergleichbar mit dem Fernseh-Klassiker „Dalli Klick“ können die Mädchen und Jungen am Wahltag dann ein Papierstück nach dem anderen entfernen und gemeinsam darüber spekulieren, welches Tier sich wohl dahinter verbirgt.

Es gilt das Mehrheitsprinzip

Der Tag der Abstimmung ist gekommen und die Freude bei den Kindern groß, als Igel und Eichhörnchen auf den Bildern immer sichtbarer werden. Die Mädchen und Jungen benennen die Tiere und die pädagogische Fachkraft erläutert den nächsten Schritt. Der Morgenkreis an sich wird im Rahmen der Partizipation schon als parlamentarische Beteiligungsform angesehen, doch nun wird dieser zu einer sog. Kinderkonferenz, in der die Jüngsten über das Thema, das die nächsten Morgenkreise prägen wird, abstimmen können. Hierfür bereitet die Fachkraft eine kleine Wahlkabine vor: Als Sichtschutz stellt sie zunächst eine Holzkiste auf, die sie mit einem Tuch abdeckt. Hinter der Holzkiste werden die Bilder der beiden Tiere ausgelegt. Auf jedes Bild stellt die Fachkraft nun eine breite, stabile Pappröhre und alle Kinder erhalten einen Muggelstein.
Wie bei geheimen, demokratischen Wahlen üblich, gehen die Kinder nun der Reihe nach zur Fachkraft hinter die Holzkiste. Dort entscheiden sie, in welche Pappröhre sie ihren Muggelstein werfen und auf diese Weise eines der beiden Tiere wählen. Die Fachkraft nimmt sich Zeit, jedem einzelnen Kind Sinn und Ablauf des Prozederes nochmal in Ruhe zu erklären.

Gemeinsame Auszählung

Nachdem das letzte Kind seine Stimme bzw. seinen Stein abgegeben hat, wird die Kiste zur Seite geschoben und die Gruppe versammelt sich um die Bilder. Ein Kind darf nun vorsichtig die erste Röhre anheben: Wie viele Muggelsteine kommen zum Vorschein? Auch die zweite Röhre wird entfernt und gemeinsam geschaut, wie viele Muggelsteine offen auf dem Bild liegen. Die Kinder erkennen auf einen Blick: Beim Eichhörnchen liegen viel mehr Steine als beim Igel. Die Entscheidung fällt nach dem Mehrheitsprinzip – das Eichhörnchen hat gewonnen!

Den kindlichen Interessen folgen

Im nächsten Morgenkreis besprechen die Kinder zunächst, wo ihr Stoff-Eichhörnchen wohnen soll. Sie entscheiden, dass es einen großen Baum braucht, auf dem es wohnen kann und malen einen solchen in Gemeinschaftsarbeit. Auf diesen Baum kleben sie Blätter, die sie vorher im Garten gesammelt haben. Am nächsten Tag bauen sie einen Kobel, also ein Eichhörnchen-Nest, damit es das Stofftier schön warm und wohlig hat, sobald es Zeit für die Winterruhe ist. Dafür befüllen sie eine mit braunem Stoff ausgelegte Kiste mit Strohwolle, Federn, Blättern und Moos, bis sie den Platz für gemütlich genug befinden und das Eichhörnchen einziehen kann. In einem weiteren Morgenkreis untersuchen die Mädchen und Jungen ein Schälchen mit Eichhörnchen-Futter. Sie erkennen Kerne und Nüsse und beschließen, diese in die Futterstelle im Garten zu füllen. Dafür brauchen sie die große Leiter – mutig klettern einige Kinder Sprosse für Sprosse nach oben … Jeder Eichhörnchen-Idee folgt eine weitere – den Lauf der Dinge bestimmen die Kinder dabei weitgehend selbst (s. INFO).
Ist das erste Projekt beendet, folgt bald schon die Vorbereitung des nächsten! Es gilt, die Mädchen und Jungen zu ermutigen, künftig eigene Themen einzubringen. Dann kann es passieren, dass eine Fachkraft zwei Themen für das nächste Projekt zur Wahl stellt – und ein zweijähriges Kind ruft: „Ich hab auch eine gute Idee!“

 

Kita-Projekte: Wir bestimmen mit!

Die partizipative Projektarbeit steht für eine intensive, vielfältige und weitgehend eigenständige Auseinandersetzung der Kinder mit einem Thema. Die Dauer geben die Jüngsten dabei selbst vor: So lange sie Interesse zeigen, das Thema auf vielfältige Weise zu bearbeiten und zu erkunden, nimmt das Projekt seinen Lauf. Projekte ermöglichen es auf besondere Weise, schon jungen Kindern Mitbestimmung zu ermöglichen, denn

  • Kinder lernen in Kooperation mit anderen,
  • sowohl Kinder als auch pädagogische Fachkräfte sind Lernende,
  • weder das zeitliche Ende noch der inhaltliche Ausgang der Projektarbeit sind im Vorfeld planbar,
  • jedes Kind kann zum Projektergebnis beitragen,
  • Kinder werden im fortlaufenden Prozess zu Experten.
Meist können die genannten Aspekte bei Kindern unter drei Jahren nicht direkt im ersten Anlauf umgesetzt werden. Hierfür bedarf es zunächst der schrittweisen Heranführung an die partizipative Projektarbeit.

 

 

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