GleichgewichtsspieleDrehen, Kippeln, Balancieren

Der Gleichgewichtssinn ist schon im Mutterleib aktiv und ab der Geburt eines Kindes Grundlage seiner motorischen Entwicklung. Den Jüngsten dient er vor allem als Basis lustvoller Bewegungserfahrungen.

Drehen, Kippeln, Balancieren
© Renate Zimmer

Auf der Bordsteinkante balancieren, die schmale Mauer besteigen, von einem Stein auf den anderen springen: Junge Kinder fühlen sich geradezu angezogen von Situationen, die ihren sicheren Stand herausfordern. Schon Babys können gar nicht genug davon bekommen, hochgeworfen oder im Kreis gedreht zu werden. Bei all diesen Aktivitäten werden die Sinne in hohem Maße angeregt, ganz besonders der Gleichgewichtssinn. Dieser bildet sich bereits im Mutterleib aus: Durch die Lageveränderungen des Fötus wird das Sinnessystem schon vorgeburtlich ständig trainiert und kann sich weiterentwickeln (Zimmer 2019). Nach der Geburt wird ein Säugling mit der Schwerkraft konfrontiert. Jedes Vorankommen ist nun mit Lageveränderungen verbunden. Schon das Anheben des Kopfes, das Drehen des Körpers, das Stützen, Robben und Krabbeln und natürlich die ersten Gehversuche eines Kindes stellen wichtige Gleichgewichtsaufgaben dar.

Der Gleichgewichtssinn ist eines der wichtigsten Sinnessysteme: Er liefert die Voraussetzungen dafür, dass wir unseren Körper aufrecht halten und uns im Raum orientieren können. Durch ihn wird die gesamte motorische Entwicklung von Kleinkindern unterstützt: Beim Drehen, Robben und Krabbeln üben die Jüngsten die Bewegungskoordination. Diese ist wiederum eine zentrale Voraussetzung für den Erwerb weiterer Bewegungsgrundformen wie Klettern, Rutschen, Kriechen und Balancieren. Gleichzeitig gewinnen die Kinder zunehmend Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, denn je sicherer ihr Gleichgewicht ausgebildet ist, desto besser werden sie ihre Bewegungen koordinieren und sich an neue, unbekannte Dinge heranwagen.

Gleichgewicht auf die Probe stellen

Bieten Sie den Mädchen und Jungen Ihrer Einrichtung vielfältige Gelegenheiten, ihr Gleichgewicht zu entwickeln. Die meisten Kinder finden es spannend, wenn der Untergrund kippelig, wackelig, uneben oder schmal ist. Sie suchen intuitiv nach Gelegenheiten, ihren Gleichgewichtssinn auf die Probe zu stellen, und lassen sich auch durch kleine Stürze nicht davon abhalten. Kaum können sie stehen und frei gehen, machen sie schon erste Kunststücke wie den Einbeinstand oder sie erproben das freie Stehen auf einem Hocker.
Falls ein Kind von solchen wagemutigen Balancierexperimenten eher verunsichert wird, benötigt es evtl. zunächst einfachere Anreize. Dafür eignen sich z.B. ein Wackelbrett, auf dem es hin- und herkippeln kann, und Holzklötze, die sich zu einem Balancierweg anordnen lassen. Wenn es das möchte, kann das Kind auch erst einmal die anderen Mädchen und Jungen bei ihren Übungen beobachten, um dann mit der Zeit selbst erste Balancierversuche zu wagen.
Die folgenden Impulse beschreiben, wie Sie ohne großen Aufwand Spielsituationen schaffen, die Kleinkinder zur Erprobung und Übung des Gleichgewichtssinns anregen. Die Balance wird besonders gefordert durch hohe, schmale oder unebene Unterstützungsflächen. Achten Sie darauf, dass es immer unterschiedliche Schwierigkeitsgrade – also verschiedene Höhen und Breiten – gibt, damit jedes Kind ein eigenes Anspruchsniveau herausbilden kann.

Kissenkrabbelweg

BENÖTIGTE MATERIALIEN:

  • zahlreiche Kissen (verschiedene Größen & Materialien)

SO WIRD’S GEMACHT:
Bauen Sie mit den Kindern eine Kissenstraße. Legen Sie die Kissen hierfür gemeinsam hintereinander auf dem Boden aus. Lassen Sie zwischen den Kissen auch mal etwas größere Zwischenräume.
Die Jüngsten werden zunächst über die Kissenstraße krabbeln, dann über die Kissen laufen und vielleicht sogar versuchen, von einem zum anderen zu springen.
Da die Kissen weich und nachgiebig sind, wird hier das Gleichgewicht der Mädchen und Jungen bei jedem Schritt herausgefordert.

Hügellandschaft

BENÖTIGTE MATERIALIEN:

  • Sandsäckchen
  • Schaumstoffelemente
  • verschiedene Kissen
  • ein großes Laken oder eine Decke

SO WIRD’S GEMACHT:
Verteilen Sie die Gegenstände gemeinsam mit den Kindern kreuz und quer auf dem Boden. Bedecken Sie diese nun mit einem großen Laken oder einer Decke, dadurch entsteht eine unebene Bewegungslandschaft. Die Kinder können um und über die kleineren und größeren Hügel krabbeln, kullern, rollen oder sich wälzen.
Binden Sie die Aktion in eine kleine Geschichte ein:

Auf einer Wiese gibt es oft viele Maulwurfshügel - große und kleine, hohe und flache. Genauso sieht unser Tuch nun aus: Wir sehen hohe und niedrige Hügel, über die wir kriechen, springen oder um die wir herumlaufen können.

Schmale Brücken

BENÖTIGTE MATERIALIEN:

  • mehrere Teppichbodenstreifen (unterschiedlicher Länge & Breite)
  • mehrere Seile

SO WIRD’S GEMACHT:
Legen Sie mit den Kindern die Teppichbodenstreifen und Seile abwechselnd so aus, dass der Weg mal breiter, mal schmaler ist. Fragen Sie die Mädchen und Jungen: „Wollt ihr lieber auf allen vieren über den Weg krabbeln oder aufrecht drüberlaufen?“ Probieren Sie gemeinsam aus, wie die Arme beim Gehen das Gleichgewicht unterstützen können und achten Sie darauf, dass die Kinder barfuß sind. Sie können so die schmalen Balancierflächen mit den Fußsohlen erfühlen.

Schaukeltuch

BENÖTIGTE MATERIALIEN:

  • ein stabiles Bettlaken oder Schwungtuch

SO WIRD’S GEMACHT:
Legen Sie das Bettlaken bzw. Schwungtuch ausgebreitet auf den Boden und laden Sie ein Kind dazu ein, sich daraufzulegen. Halten Sie zusammen mit einer weiteren Fachkraft das Tuch an den Rändern fest, heben Sie es an und schaukeln Sie es zunächst ganz leicht hin und her. Die Jüngsten können dann selbst bestimmen, wie kräftig das Schaukeln erfolgen soll.

PRAXISTIPP

Balancierimpulse für draußen

Alle hier vorgestellten Ideen lassen sich auch ohne viel Aufwand im Kita-Außengelände umsetzen. Zusätzlich können Sie dort durch flache Mauern, am Boden liegende Baumstämme oder Baumscheiben in unterschiedlichen Höhen Anreize zu Balancierübungen im freien Spiel geben.

Die Zeitschrift Kleinstkinder im Abo

  • 8 Ausgaben pro Jahr
  • Relevantes Fachwissen für den U3-Bereich
  • Zahlreiche direkt anwendbare Praxisimpulse
  • Informiert über aktuelle Ereignisse, die den Kita-Alltag beeinflussen
Jetzt testen