Pro & ContraDie Eltern duzen?

Durch den täglichen Kontakt zu Eltern entstehen oft Nähe und Sympathie. Doch ist es angemessen, ihnen im beruflichen Kontext das Du anzubieten?

Pro & Contra
© Florian Nütten

Vertrauen ist wichtiger als Distanz.

Zur Kita gehört das Du. Es kommt kaum vor, dass die Kinder ihre Fachkraft als Frau Soundso anreden. Man nennt sich beim Vornamen und auch Eltern kennen eher den Vor- als den Nachnamen der Fachkraft ihres Kindes.
Trotzdem legen manche Kitas fest: „Wir siezen uns mit Ihnen.“ Begründet wird das mit der professionellen Distanz. Doch Respekt vor der Rolle des Gegenübers entsteht meiner Erfahrung nach in erster Linie über professionelles Handeln.
Außerdem denke ich: Die Erziehungspartnerschaft verlangt nicht Distanz, sondern gegenseitiges Vertrauen. Es bringt Vorteile, sich offen in die Augen sehen und sagen zu können: „Mal ehrlich, Marco und Simone, euer Kind braucht Unterstützung!“
Siez-Gebote sind von oben verordnet. Für Eltern und Fachkräfte fühlt sich dies aber oft seltsam an. Es führt zu allerlei verkrampften Mischformen, wie etwa der, dass Eltern die Erzieherin siezen, aber mit Vornamen anreden: „Alva, könnte ich mit Ihnen sprechen?“ Ebenso unschön ist, wenn zwischen Fachkräften und Eltern über Jahre hinweg Verbundenheit entsteht und sie je nach Anlass zwischen „Du“ und „Sie“ wechseln: „Auf dem Elternabend sagen wir Sie, ok?“ Das alles wirkt oft weniger professionell als vielmehr unbeholfen.
Und es gibt einen weiteren wichtigen Aspekt: Anredeformen sind eine ganz persönliche Sache. Außerhalb der Arbeitswelt ist es völlig klar, dass jeder selbst darüber entscheidet, wen er duzt. Vorschriften am Arbeitsplatz verletzen dieses Persönlichkeitsrecht. Jeder sollte entscheiden dürfen, mit wem er sich siezt oder duzt. So gesehen ist es authentisch und gut, wenn Frau Schneider sich mit Leas Mutter siezt – aber ihre Kollegin zu dieser „Du“ sagen darf.

Michael Fink

Die bessere Basis bei Konflikten.

Ein Du als Voraussetzung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Eltern? Mich beschleicht ein ungutes Bauchgefühl, wenn ich dies höre. Lange haben Fachkräfte für ihre professionelle Anerkennung kämpfen müssen, und leider ist dieser Kampf noch nicht abgeschlossen. Verstehen Sie sich selbst als Freund oder Freundin oder Dienstleister nach Elternwunsch?
Erziehungspartnerschaft mit gemeinsamem Blick auf das Kindeswohl kennt gute und schwere Zeiten. Zu ihr gehören auch Konflikte und unterschiedliche Auffassungen. Dann ist es besonders wichtig, die Rolle als qualifizierte und verantwortungsvolle Fachkraft bewusst einzunehmen und diese auch im Umgang mit den Eltern zu verdeutlichen. Respekt und Achtung kommen sicher nicht automatisch, sie müssen den Eltern erwiesen, dürfen umgekehrt aber auch eingefordert werden. So ist die Zusammenarbeit ein „Dirty Dancing“ wie im berühmten Film, in dem es „meinen und deinen Tanzbereich“ gibt. Sich nicht in den Tanzbereich der anderen Seite einzumischen, das erfordert Abstand im Sinne einer professionellen Distanz.
Ein Du hilft Ihnen kaum im täglichen Kontakt, es wird Ihnen aber im Konfliktfall den fachlichen Streit ohne persönliche Angriffe erschweren. Sollten Sie zu einigen Eltern auch privaten Kontakt haben, besprechen Sie, dass Ihre Rolle in der Einrichtung eine andere ist und Sie nicht möchten, dass sich andere Eltern ungleich behandelt fühlen. Sicher können sich Ihre Bekannten darauf einlassen, Sie in der Einrichtung zu siezen. Vielleicht auch als Vornamen-Sie, sodass Kinder und Eltern Sie mit demselben Namen ansprechen? Das Du sollten Sie aber Ihren Bekannten vorbehalten. Lehrkräfte Ihrer Kinder würden Sie ja auch nicht duzen, oder?

Malte Mienert

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