Die Worte des Reggio-Gründers Loris Malaguzzi eignen sich ideal als Einstieg in das Thema Babysprache und Kommunikation mit Gebärden. Ein Kind hat über die mündliche Ausdrucksweise hinaus so viel mehr Möglichkeiten, mit anderen in Kontakt zu treten.
Babysprache
Wenn Erwachsene mit Babys sprechen, nutzen sie meist intuitiv eine hohe Stimmlage und sprechen sehr langsam. Begleitet wird dies durch eine intensive Mimik und Gestik und einfachen, sich wiederholenden Worten oder Sätzen. Säuglinge können die Botschaft durch diese Babysprache besser aufnehmen und verstehen, weil sie ihrer Wahrnehmung eher entspricht. In dieser speziellen Form des Dialogs mit den Jüngsten steckt allerdings viel mehr als der sprachliche Austausch. Der Erwachsene nimmt intensiven Blickkontakt zu dem Kind auf, wartet auf dessen Rückmeldung, z.B. in Form eines Lächelns, und versucht durch Augenkontakt, Mimik und Gestik, aber auch durch das gesprochene Wort, mit dem Kind zu kommunizieren. Dadurch werden Botschaften und Gefühle sichtbar und erlebbar: Das Baby fühlt sich gesehen, angenommen und eingebunden.
Lernen & Emotionen
Wir wissen heute, dass wir besser lernen, wenn neue Informationen mit Emotionen verknüpft werden. Das bedeutet, je freudvoller, liebevoller und gefühlvoller wir mit Babys und Kleinkindern sprechen, desto besser nehmen sie Neues auf, ahmen es nach und lernen. Die meisten Erwachsenen gehen dabei in einen intensiven Kontakt und versuchen, einen Dialog mit dem Kind herzustellen. Es geht darum herauszufinden, was es mitteilen möchte, was es braucht und welche Bedürfnisse es hat. Die Erwachsenen beobachten dabei achtsam die Signale des Babys, hören aufmerksam zu und können zunehmend interpretieren und entschlüsseln, was dieses vermitteln möchte. Hierbei entstehen sowohl ein Dialog, ein Verstehen und Deuten der Sprache des Kindes als auch eine wachsende vertrauensvolle Beziehung und Bindung.
Babyzeichen & Gebärden
Kinder sind von sich aus neugierig, sie möchten sich mitteilen, verstanden werden und das Leben verstehen lernen. Wenn wir Babyzeichen, also beliebige Gesten und Zeichen, sowie Gebärden, die aus festgelegten Handbewegungen bestehen, nicht als Lernprogramm sehen, sondern vielmehr als eine weitere Möglichkeit, wie Babys und Kinder sich ausdrücken und mitteilen können, ist die Gebärdensprache eine wundervolle Art zu kommunizieren. „Im Vergleich zu Gesten und Babyzeichen kommen Gebärden in Deutschland aus der Deutschen Gebärdensprache (DGS). Gebärden sind festgelegte Handbewegungen wie Vokabeln einer Sprache“ (Gericke 2022, S. 16). Im Gegensatz zur Gebärdensprache, die hörbehinderte und gehörlose Menschen nutzen, versteht sich der Einsatz von Gebärden mit hörenden Kindern als eine Unterstützung der Kommunikation. Dabei sollen diese die sprachliche Kommunikation ergänzen und nicht ersetzen. Gebärden können schon von Geburt an mit Babys genutzt werden. In den ersten Lebensmonaten geht es dabei eher um das Anregen der Sprache und die Interaktion mittels Gebärden. Mit ca. sechs Monaten beginnen die meisten Babys damit, Gebärden aktiv nachzuahmen.
Bedürfnisse nonverbal äußern
Gebärden werden von Eltern oder anderen Bezugspersonen der Kinder oft intuitiv und unbewusst verwendet. Durch das Reiben der Augen bspw. symbolisiert das Kind, dass es müde ist. Dementsprechend werden von den Erwachsenen beide Hände ans Ohr gelegt, der Kopf auf die Seite geneigt und dazu gesprochen: „Bist du müde?“ Im Gegensatz zu Gesten können sich Babys und Kinder auf Gebärden verlassen und für sich übernehmen, weil diese ritualisiert in die Sprache und das soziale Miteinander eingebunden sind. Kelly und Andy Malottke beschreiben in ihrem Buch Zauberhafte Babyhände: „Babys erweitern mit Gebärden ihre kommunikativen Möglichkeiten um ein Vielfaches. Sie können damit Bedürfnisse, Gefühle und Wünsche früher und detaillierter äußern; zudem fühlen sie sich besser verstanden. Sie können autonomer ihre eigene Welt erklären und uns an ihren Gedanken teilhaben lassen […] insgesamt können Kinder dank Gebärden aktiver am Leben teilnehmen und noch mehr mitreden“ (Malottke 2022, S. 33).
Junge Kinder erleben die Welt überwiegend aus emotionalen, spontanen und sinnlichen Impulsen heraus. Es braucht von uns Erwachsenen viel Offenheit, um die hundert Sprachen des Kindes zu entdecken und ihm zu ermöglichen, sich auszudrücken. Damit dies gelingt, braucht es die Bereitschaft, die Welt mit Kinderaugen zu sehen, Vertrauen in die eigene Intuition, Freude daran, Neues auszuprobieren und eine liebevolle Weise, mit Kindern in Interaktion zu treten (s. PRAXISTIPP).
PRAXISTIPP
Wie Interaktion gelingen kann
Um Babys und junge Kinder sprachlich gut zu begleiten und eine fördernde Interaktion zu leben, gibt es viele Möglichkeiten:
- Gebärden als Zusatz zur sprachlichen Kommunikation nutzen
- Blickkontakt aufnehmen und die darin verborgene Sprache lesen
- freundlicher & zugewandter Tonfall
- mehr bildliche und beschreibende Kommunikation, weniger erklärende, abstrakte
- einen für das Kind stimmigen Körperkontakt herstellen
- gute und stetige Rückmeldungen der Bezugsperson, um mögliche Unsicherheiten zu nehmen
- Feinfühligkeit, Responsivität & emotionale Zuwendung
- Kind ernst nehmen & aufmerksam zuhören
- Sprache & Zeichen der Kinder beobachten und wiederholen
- die Zeigegeste des Kindes als Kommunikationsmittel wahrnehmen
- Stimmklang & Stimmfärbung adäquat nutzen
- Handlungen mit vollständigen Sätzen, Mimik & Gestik begleiten und wiederholen
- ungeteilte Aufmerksamkeit: Kind und Bezugsperson richten ihre Aufmerksamkeit auf dasselbe
- Imitation & wechselseitige Nachahmungsdialoge führen: Durch die Spiegelung von außen kann sich das Kind ein Bild von sich selbst machen
- Pausen einhalten; diese sind wichtig für einen ausgeglichenen und wechselseitigen Dialog
- Reime, Fingerspiele & Lieder in den Kita-Alltag integrieren