Pro & ContraAusmalbilder anbieten?

Vorgegebene Motive gelten in manchen Kitas als verpönt: Sie sollen Fantasie und Schaffenskraft eingrenzen. Aber muss man das wirklich so eng sehen?

Pro & Contra
© Florian Nütten

Übertrieben, sie total zu verbannen.

Kinder profitieren von der Beschäftigung mit Ausmalbildern: Sie fördert u.a. die Konzentration, die Ausdauer und die Auge-Hand-Koordination.
Fachkräfte können mithilfe von Ausmalbildern die Interessen und Ideen der Jüngsten gezielt aufgreifen. So gelingt es ihnen vielleicht, auch Jungen und Mädchen, die sich bisher wenig für kreative Tätigkeiten begeistern ließen, zum Malen zu motivieren. Sie können z.B. ihr Lieblingstier oder -fahrzeug ausmalen und danach ausschneiden. Solch positive Erfahrungen können dazu führen, dass Kinder sich künftig leichter an den Maltisch locken lassen und offener gegenüber künstlerischen Tätigkeiten werden.
Durch den vorgegebenen Rahmen von Ausmalbildern können Fachkräfte die Fingerfertigkeiten der Jüngsten gezielt und spielerisch fördern. Eine Vorlage gibt den Jungen und Mädchen zwar eine ungefähre Vorstellung und Orientierung, lässt ihnen aber noch ausreichend Raum für Kreativität. Denn nicht das Endprodukt zählt, sondern immer der Weg dorthin.
So bietet z.B. ein großes Papierstück in Form eines Ostereies den Kindern unzählige Möglichkeiten, frei mit Farben zu experimentieren, das Ei nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten und so ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.
Daher empfinde ich es als übertrieben, Ausmalbilder komplett aus der pädagogischen Arbeit zu verbannen. Eine gesunde Mischung ermöglicht es den Jüngsten, sich sowohl künstlerisch auszuleben als auch nach einer Vorlage konzentriert und mit Freude zu arbeiten. Ein schlechtes Gewissen, weil man ab und zu Ausmalbilder anbietet, sollte jedenfalls niemand haben.

Nathalie Rahm

Bitte nicht an Schlechtes gewöhnen.

Wie malen junge Kinder gerne? In direktem Kontakt zur Farbe, ohne darstellerische Absicht. „Was ich male? Weiß ich nicht.“ Dafür sind sie stets bereit, sich von erkennbaren Stellen im Bild überraschen zu lassen, wenn mit überbordenden Gesten Hiebkritzel, Urkreuze und erste Kreise entstehen: auf großem, festem Papier, wo sie stehend, liegend oder kauernd Striche mit weiten Armbewegungen aufs Blatt bringen.
Das Gegenteil sind Ausmalbilder: Harte Stifte, kein Kontakt zur Farbe, vorgegebenes Motiv. Das kleine Format fordert zum sitzenden Malen am Tisch auf und verhindert ausufernde Bewegungen. Die Konturen fordern das Kind auf: Male möglichst nicht drüber! Immerhin passiert es heute seltener, dass Fachkräfte „richtige“ Farben fordern. Gewiss: Manche Kinder mögen Ausmalbilder. Weil es auch mal entspannend ist, sich im vorgegebenen Rahmen zu bewegen, statt kreativ die Welt zu erobern? Ich denke eher, weil sich Kinder irgendwann auch an schlechte Dinge gewöhnen, wenn Alternativen fehlen.
Wer es wissen möchte, kann es testen, und den Kindern Ausmalbilder und Buntstifte hinstellen – und alternativ große Papierbogen, reichlich Fingerfarbe, Schwämme und Bürsten. „Klar, nehmen die dann die Farbe, aber das ist ja viel aufwendiger!“, könnte man kontern. Genau das ist das Problem: Ausmalbilder sind nicht totzukriegen, weil sie keinerlei Dreck und Aufwand machen, aber trotzdem wie Kreativität aussehen. Leider sind sie das Gegenteil.
Mein Rat: Wer Ausmalbilder mag, kann sie nach Dienstschluss selbst ausmalen – und sich währenddessen tolle kreative Inspirationen für die Kinder ausdenken.

Michael Fink

 

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