Iris Erbach: Der Krieg in der Ukraine und die Anwesenheit geflüchteter, teilweise traumatisierter Kinder in den Kitas bringt die Themen Krieg und Gewalt in den Gruppenraum. Können diese mit unter Dreijährigen überhaupt besprochen werden?
Jana Goldberg: Man muss die Themen Krieg und Gewalt nicht verbal thematisieren. Wichtig ist, allen Kindern Geborgenheit und Wärme zu geben. Die Themen Gewalt und Trauma dürften unabhängig von aktuellen Kriegs- und Fluchterlebnissen für viele Kinder leider nicht neu sein. Aufgabe jeder Kita ist es, für alle Kinder ein sicherer Ort zu sein. Wenn sich Kinder in der Kita geborgen fühlen können, fällt es ihnen auch leichter, Vertrauen und Bindung zu den Erziehenden aufzubauen.
In Ihrem Buch „Frieden leben mit Kindern“ machen Sie Vorschläge für eine Friedenserziehung in der Kita-Praxis. Wie kann diese für Kleinkinder gestaltet werden? Können Sie ein paar Beispiele nennen?
Julia Menschner: Das gezielte Verwenden von Ich-Botschaften ist weiterhin die Basis, Kindern schon früh beizubringen, ihre Bedürfnisse und Gefühle wahrzunehmen und zu benennen. Pädagogische Fachkräfte müssen dabei Sprachvorbilder sein, damit die Kinder sich diese Kommunikation im Rahmen des Lernens am Modell abgucken können. Konkrete Projekte zum Thema „Frieden“ können auch mit unter Dreijährigen durchgeführt werden: Wie leben wir in der Krippe zusammen? Was ist uns wichtig im Miteinander? Gemeinsames Musizieren, Symbole herstellen, die ein Gruppengefüge bildlich zeigen, z.B. Handabdrücke aller an der Gruppentür, eignen sich gut, um mit den Jüngsten in das Thema einzusteigen.
Sie sprechen in Ihrem Buch von nachhaltiger Wertebildung. Was verstehen Sie darunter und wie kann diese mit den Jüngsten entwickelt werden?
Jana Goldberg: Nachhaltig ist Werteentwicklung dann, wenn die Haltung des Kita-Teams wertebasiert ist und diese Werte von den Erwachsenen vorgelebt werden. Angebote, um bestimmte Werte gezielt zu fördern, sind hier letztlich eine Ergänzung zur Grundhaltung der Fachkräfte. Um friedliche Werte auch wirklich zu verinnerlichen, bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung mit den eigenen Prägungen und Kindheitserfahrungen, die oftmals nicht besonders friedlich und gewaltfrei waren. Kinder sind uns hier gute Lehrmeister, da sie den Finger in die Wunde legen und uns an unserer Reaktion auf ihr Verhalten zeigen, wo wir noch Unfrieden in uns tragen.
Weltkindertag & Internationaler Friedenstag 2023
Ukrainische Familien auf der Flucht bringen das Thema Krieg in deutsche Kitas. So ist das Motto des diesjährigen Weltkindertages eng verknüpft mit der Forderung nach Frieden. Unicef und das Deutsche Kinderhilfswerk beziehen sich dabei auf die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele, die 2015 in der Agenda 2030 von den Vereinten Nationen formuliert wurden: „Frieden – Wir sind entschlossen, friedliche, gerechte und inklusive Gesellschaften zu fördern, die frei von Furcht und Gewalt sind. Ohne Frieden kann es keine nachhaltige Entwicklung geben und ohne nachhaltige Entwicklung keinen Frieden“ (Präambel der Agenda 2030). Auch der Internationale Friedenstag der Vereinten Nationen weist auf die Notwendigkeit von Frieden und Gewaltlosigkeit hin.
Krieg trifft Kinder hart. Laut terre des hommes leben weltweit 420 Millionen Kinder in einem Kriegs- oder Konfliktgebiet. Ukrainische Kinder in deutschen Kitas Wie der Mediendienst Integration meldet, leben zurzeit ca. eine Million ukrainische Flüchtlinge in Deutschland, darunter etwa 349.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Laut einer repräsentativen Befragung unter ukrainischen Geflüchteten besuchen aktuell 22 Prozent der geflüchteten Kinder unter drei Jahren und 59 Prozent der ukrainischen Mädchen und Jungen im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintrittsalter eine deutsche Kita.
Literatur IAB, BiB, SOEP, BAMF (2022): Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland: Flucht, Ankunft und Leben