Pro & ContraReligiöse Inhalte im U3-Bereich?

Für Fachkräfte stellt sich oft die Frage, ob die religiösen Aspekte der großen Feste, die uns durchs Jahr begleiten, bereits Kleinstkindern vermittelt werden sollten.

Pro & Contra
© Florian Nütten

Kindzentrierte Religionspädagogik!

Der U3-Bereich und religiöse Inhalte gehören einfach zusammen. Der Großteil der Kita-Träger ist konfessionell ausgerichtet. Darüber hinaus nehmen religiöse Inhalte auch einen hohen Stellenwert in unserer Kultur und Gesellschaft ein; denken wir bspw. an gesetzliche Feiertage, die fast ausschließlich christlich geprägt sind. Trotzdem stößt man immer wieder auf die Aussage: „Religiöse Inhalte sind im U3-Bereich nicht relevant. Das verstehen die Kleinen doch noch gar nicht.“ Weit gefehlt, denn kindzentrierte Religionspädagogik lautet hier das Stichwort! Bei genauerem Hinsehen wird die Vielschichtigkeit religiöser Inhalte deutlich. Viele Kitas (egal, ob konfessionell geprägt oder nicht) beschreiben in ihrem Leitbild Werte wie Aufrichtigkeit, Mitgefühl, Toleranz und Nächstenliebe, die mit den Kindern von Anfang an gelebt werden sollen. Im Sinne einer interreligiösen Pädagogik lassen sich hier bereits Parallelen erkennen. Weltreligionen wie der Islam, das Judentum und das Christentum fußen auf genau diesen Werten, die den Kindern anhand religiöser Inhalte vermittelt werden können. Ein weiterer Aspekt sind im Kita-Alltag integrierte Gesten und Rituale. Zu Beginn des Frühstücks oder des Mittagessens werden für einen Tischspruch oder ein Gebet die Hände gefaltet oder zusammengelegt. Schon allein dadurch wird ein Moment des Innehaltens erzeugt. Die Kinder können Entspannung und Spiritualität erfahren und darüber hinaus wird das Gemeinschaftserleben gestärkt. Um religiöse Inhalte zu vermitteln, bedarf es meiner Ansicht nach einer Grundlage, die im U3-Bereich gelegt werden muss.

Matheo Bucher

Lasst die Kirche vor der Krippentür!

Es gibt viele gute Gründe, die dagegensprechen, schon bei den Jüngsten religiöse Vermittlungsarbeit zu betreiben: In jeder Kita treffen Kinder aufeinander, in deren Familien unterschiedliche Religionen gelebt werden. Angesichts dessen müsste man unzählige Feste und religiöse Mythen vermitteln, die die Kinder niemals auseinanderhalten können.
Noch relevanter scheinen aber die aktuellen Zahlen zu praktizierenden Gläubigen. Weniger als 10% der Bevölkerung sprechen bei uns Tischgebete, unter 20% glauben fest an die Auferstehung Jesu, den die Mehrheit bei uns nicht für Gottes Sohn hält. Warum sollte Kleinkindern in der Kita etwas vermittelt werden, wovon deren Eltern nicht überzeugt sind?
„So früh wie möglich vermitteln“ ist außerdem zwar eine beliebte, aber pädagogisch fragwürdige Idee, die schon beim Frühenglisch-Kurs nicht funktioniert. Für die Religion gilt dies erst recht, besteht doch ihr Kern aus Spiritualität und Ethik – zwei Themen, die für unter Dreijährige entwicklungsgemäß nicht relevant sind.
Und der Verzicht auf Religion in der Krippe heißt ja nicht, nie mehr Ostereier anzumalen oder keinen Tannenbaum mehr aufzustellen. Diese Bräuche stammen nicht aus der Bibel und auch das Verteilen von Süßigkeiten nach dem Ramadan ist ein Volksbrauch, den der Koran nicht kennt. Es spricht nichts dagegen, solche Rituale in der Kita aufzugreifen. Aber eben nicht mit belehrendem Charakter. Es sollte die Zuständigkeit der Eltern sein, religiöse Überzeugungen vorzuleben und so an ihre Kinder weiterzugeben.

Michael Fink

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