Stimmen aus der PraxisWie kommen Kitas durch die Krise?

Vier Fachkräfte berichten, wie sie in Zeiten des Personalmangels pädagogische Qualität sicherstellen und mit zunehmendem Stress im Job umgehen.

Wie kommen Kitas durch die Krise?
© Harald Neumann

Fokussierung auf kindliche Bedürfnisse & positive Haltung

Auch wenn unsere Arbeitsbedingungen immer prekärer werden, bin ich überzeugt, dass es möglich ist, qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten, weil wir als pädagogische Fachkräfte tagtäglich 150 Prozent geben. Meiner Meinung nach hilft es sehr, die Aufgaben zu priorisieren. Wir haben gemeinsam im Team überlegt: „Was braucht es im Alltag, damit es allen gut geht?“ Ich denke, das ist nicht das wöchentliche Bastelangebot oder der Laternenumzug, der nur zu noch mehr Überstunden führt. Für mich ist es am wichtigsten, die Kinder gut in ihren Emotionen zu begleiten und im Freispiel oder bei Übergängen präsent zu sein. Es geht immer wieder darum zu überprüfen, ob die Bedürfnisse aller Kinder gestillt sind. Und jedes Mal, wenn ich ein Kind tröste, es schlafen lege oder mit ihm ein Bilderbuch anschaue, trage ich einen Teil zur pädagogischen Qualität bei. Ich mache mir immer wieder bewusst, dass ich zum Gelingen des Alltags beitrage. Und wenn mal was nicht gelingt, überlege ich, woran es gelegen hat und was ich evtl. zum Besseren verändern könnte, etwa in kleineren Gruppen zu essen. Durch diese Überlegungen schaffe ich es, immer handlungsfähig zu bleiben. Für mich geht es darum, an meiner eigenen Haltung zu arbeiten. Ich habe aufgehört, täglich darüber nachzudenken, dass wir zu wenig Leute sind. Stattdessen sage ich: „Okay, wir sind heute nur zu zweit mit 15 Kindern, was braucht es, damit wir alle einen schönen Tag haben?“


Reduzierung der Öffnungszeiten & Reflexion im Team

Glücklicherweise sind wir aktuell sehr gut besetzt in der Einrichtung. Das ist jedoch kein Garant dafür, dass sich das nicht schnell wieder ändert, so wie es in den vergangenen Jahren bereits ein paar Mal vorkam.
Was uns sehr dabei geholfen hat, den Betrieb aufrechtzuhalten, ist die schrittweise Reduzierung unserer Öffnungszeiten. Im Vergleich zu vor drei Jahren müssen wir dadurch täglich eine Stunde weniger besetzen, wodurch die Fachkräfte gebündelter im Haus sind. Randzeiten mit geringer Kinderzahl entfallen durch die gekürzten Zeiten ebenso wie das Aufbauen von Überstunden bei Personalengpässen. Besonderen Wert legen wir auf unsere wöchentlichen Teamsitzungen sowie die Planungs- und Konzeptionstage. Hier reflektieren wir regelmäßig die aktuellen Abläufe, prüfen was gut läuft, aber auch, wo Stolpersteine sind und wie wir diese umwandeln können. Auf diese Weise stärken wir fortlaufend unsere Alltagsstrukturen und unsere Pädagogik bleibt weiterhin qualitativ hochwertig.
Leider hatten wir, wie viele andere Einrichtungen auch, extreme Krankheitswellen, die es zum Teil unmöglich machten, alle Kinder zu betreuen. Bei uns klappt es immer ganz gut, dass Eltern dann andere Lösungen finden und nur ein Teil der Kinder in der Einrichtung ist. In diesen Situationen ist es uns wichtig, den Eltern ehrlich zu begegnen, ihnen die Situation zu erklären, uns aufrichtig bei ihnen zu bedanken und auch zu thematisieren, dass die Situation politisch betrachtet und thematisiert werden muss.


Kleine Gruppen, Raumgestaltung & Wertschätzung

Die Qualität trotz Personalmangel aufrechtzuerhalten, ist für Kinderkrippen eine echte Herausforderung. Durch gezielte Maßnahmen kann diese aber gemeistert werden. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Umstrukturierung in kleinere Gruppen. Statt mehrere pädagogische Fachkräfte mit vielen Kindern in einen Raum einzuplanen, ist es effektiver, wenn eine Fachkraft mit weniger Kindern arbeitet.
Diese Intimität ermöglicht eine intensivere Betreuung und schafft die nötige Ruhe, in der pädagogische Qualität überhaupt erst stattfinden kann.
Und auch das Raumkonzept spielt eine Schlüsselrolle. Räume können wie eine zusätzliche „Mitarbeiterin” wirken, indem verschiedene Bereiche geschaffen werden, welche die Bedürfnisse der Kinder ansprechen, z.B. eine gemütliche Leseecke, Bewegungselemente oder ein Platz für kreative Aktivitäten. Durch solch eine Gestaltung fördert man nicht nur die Entwicklung der Mädchen und Jungen, sondern schafft auch eine angenehme Atmosphäre – und die ist nicht nur für die Kinder, sondern auch für die pädagogischen Fachkräfte wichtig. Für eine gute Atmosphäre in der Kita sollten deshalb auch alle den Teamgeist im Blick behalten. Wenn sich die Kolleginnen und Kollegen gegenseitig wertschätzen und alle Mitarbeitenden individuelle Anerkennung erfahren, steigert das ihr Wohlbefinden. Ein unterstützendes Arbeitsumfeld trägt dazu bei, Stress zu reduzieren bzw. vorzubeugen und die Motivation der Mitarbeitenden aufrechtzuerhalten.


Gut vorbereitete Räume statt angeleitete Angebote

Wir alle wünschen uns die Kita als Ort der Erziehung und Bildung. Ein Ort, an dem Eltern ihre Kinder morgens unbesorgt übergeben können, wissend, dass diese sich dort wohlfühlen und in ihrer Individualität gesehen werden. Ein Ort, an dem Inklusion gelebt wird und alle willkommen sind. Damit das auch in herausfordernden Zeiten so bleibt, sollten wir unsere pädagogischen Konzepte hinterfragen und uns auf das Wesentliche konzentrieren – die bedürfnisorientierte Betreuung und Bildung der Kinder. Ein Stressfaktor für Fachkräfte sind häufig die angeleiteten Angebote: Eine Fachkraft belegt mit wenigen Kindern einen Raum, während die anderen Kinder von dem verbleibenden, ohnehin knappen Personal betreut werden müssen. Meiner Überzeugung nach ist es aktuell sinnvoller, die Ressourcen der Einrichtung bestmöglich einzusetzen. Das bedeutet, alle verfügbaren Räume zu nutzen und die Anzahl der Kinder, die sich in einem Raum aufhalten, möglichst gleichmäßig zu verteilen. Dadurch reduzieren wir die Reizüberflutung und sorgen für eine ruhigere und sicherere Umgebung. Gut vorbereitete und entwicklungsanregende Räume können gezielte Angebote oft ersetzen. Weiterhin können selbst Krippenkinder nach Absprache eine Zeit lang allein im eingezäunten Garten oder in einem Nebenraum spielen. Voraussetzung dafür ist, dass wir es ihnen zutrauen und in regelmäßigen Abständen sicherstellen, dass alles in Ordnung ist. Dadurch ermöglichen wir nicht zuletzt jedem Kind den Entwicklungsraum, den es gerade braucht.


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