Konzentration auf die einfachen Dinge
Die Jüngsten sind heute oft von einer Vielzahl an Spielsachen und anregenden Medien umgeben, was schnell zu einer Reizüberflutung führen kann. Spielzeugfreie Zeiten in Krippen bieten eine tolle Möglichkeit, diesem Umstand entgegenzuwirken. Damit meine ich nicht, alles Spielmaterial zu verbannen, sondern lediglich vorgefertigte Spielzeuge wie Puzzles oder Steckspiele aus den Räumen zu entfernen. Stattdessen können sich die Kinder dann mit unspezifischem Spielmaterial befassen, also mit Alltagsgegenständen oder Naturmaterialien, die sie selbst draußen gesammelt haben.
Spielzeugfreie Zeiten bieten den Jüngsten die Möglichkeit, sich hochkonzentriert einfachen Gegenständen zu widmen und deren Eigenschaften zu erforschen. Das entspricht genau dem Bedürfnis von Kleinkindern. Welche Fachkraft hat nicht schon mal erlebt, dass sich ein zweijähriges Kind an seinem Geburtstag am meisten über die Verpackung gefreut hat, weil diese einen höheren Aufforderungscharakter hatte als das eigentliche Geschenk? In spielzeugfreien Phasen verzichten Fachkräfte außerdem darauf, geplante Bildungsaktivitäten durchzuführen. Sie agieren als am Spiel interessierte Personen, welche die Kinder bei Bedarf unterstützen. Grundsätzlich greifen sie nicht ins Geschehen ein und lenken es somit nicht. Die Jüngsten können explorieren – und die Fachkräfte ihnen dabei zusehen und -hören. Solche intensiven Beobachtungsphasen sind im Arbeitsalltag nicht immer ausreichend durchführbar, und doch so wichtig, weil sie die Fähigkeiten und Interessen einzelner Kinder verdeutlichen.
Weder zeitgemäß noch kleinkindgerecht
Das Konzept der spielzeugfreien Zeit, vor über dreißig Jahren entwickelt, fand ich immer großartig. Statt den Kindergarten mit Konsumartikeln vollzustopfen, spielen die Kinder mit sich und den Alltagsmaterialien, lernen Konsumverzicht und den Wert des Miteinanders – toll! Aber hier geht es nicht um über dreijährige Mädchen und Jungen in einem Kindergarten der Neunzigerjahre, sondern um Krippenkinder der Jetztzeit. Zwei gravierende Unterschiede zu damals machen das Konzept der spielzeugfreien Zeit obsolet. Erstens besteht das Inventar heutiger Krippen selten aus klassischem Spielzeug, sondern vielmehr aus hochwertigem Lernmaterial: Da gibt es Aktionstabletts mit klug arrangierten Alltagsmaterialien und Podeste zum Klettern. Sollte man diese Dinge etwa im Zuge eines Konzeptes wegräumen, deren Erfinder einst Autos oder Püppchen im Kopf hatten?
Zweitens unterscheiden sich insbesondere die Allerjüngsten in einer Eigenschaft erheblich von Kindergartenkindern: Sie können mit ihren Altersgenossen noch nicht viel anfangen und ihr Spiel ist noch auf das Erkunden von Raum und Material gerichtet. Wer jedoch entwicklungsgemäß eher die Statik von selbst gebauten Türmen erforscht, als Rollenspiele zu initiieren, kann kaum auf Spielmaterial verzichten.
Ja, in vielen Krippen gibt es auch heute noch Spielzeuge wie den ewigen Verkehrsteppich, die das Team eigentlich gerne loswerden würde. Doch statt diese Dinge für ein paar Tage wegzuräumen, sollten Kitas sie besser für immer beseitigen.