Mitten im Leben: Wann fühlen Sie sich gesund?
Eckart von Hirschhausen: Wenn ich am wenigsten drüber nachdenke. Für mich sind Gesundheit, Lebensfreude, Aktiv-Sein, Teilnehmen, In-seinem-Element- Sein verbunden mit anderen, Gott und der Welt. Ich bin live auf der Bühne voll im Hier und Jetzt und alle Zuschauer gehen gesünder nach Hause, als sie gekommen sind. Wer mich nur aus dem Fernsehen kennt, kennt mich nicht wirklich.
Margot Käßmann: Oh, beim Joggen. Ich bin so dankbar, dass ich das noch kann. Einfach loslaufen, raus in die Natur, durchatmen, das ist wunderbar. Allerdings gebe ich zu: Wertschätzung für Gesundheit ist am stärksten, wenn ich krank bin. Dann ist mir wieder bewusst, welch ein Privileg es ist, nicht über Gesundheit nachdenken zu müssen.
Hauptsache gesund! ist ein häufig geäußerter Wunsch. Ist Gesundheit wirklich die Hauptsache?
E.v.H.: Nein, dazu gibt es sehr interessante Untersuchungen. Trotz körperlicher Einschränkungen nimmt die Zufriedenheit bei neun von zehn Menschen in der zweiten Lebenshälfte zu. Die Forschung zeigt, dass es Älteren oft gelingt, ihre Zufriedenheit von körperlichen Gebrechen loszukoppeln. Das nennt man „Wohlfühlparadoxon“. Man setzt die Erwartungen nicht mehr so hoch, kann loslassen, wird gelassener – und glücklicher. Deshalb ist die zweite Lebenshälfte für viele auch „Die bessere Hälfte!“.
M.K.: Ich denke, es geht weniger um die zweite Lebenshälfte als um die letzte Etappe. Je bewusster uns wird, wie begrenzt unsere Lebenszeit ist, desto mehr sind wir dankbar für das, was noch möglich ist, für die kleinen Freuden im Alltag.
Kann der Glaube gesund machen?
M.K.: Der christliche Glaube erklärt nicht, je mehr ich glaube, desto eher werde ich vor Krankheit und Leid bewahrt. Vielmehr gibt uns der Glaube die Kraft, auch mit Krankheit das Leben als wertvoll anzusehen.
E.v.H.: Glaube, Liebe und Hoffnung helfen beim Gesundwerden, das ist seit Tausenden von Jahren schon jedem klar. Der Irrtum war, diese „Heilmittel“ in Pillen zu suchen und nicht im Miteinander. Wir dürfen auf die Weisheit unseres Körpers vertrauen. Für wie arbeitsscheu halten wir eigentlich unsere „Selbstheilungskräfte“, wenn man die ständig „aktivieren“ muss? Machen Sie mal einen Kratzer in Ihre Haut. Drei Tage später ist der verheilt. Sie müssen dafür nichts tun außer abwarten! Machen Sie denselben Kratzer ins Auto vom Nachbarn. Das heilt nicht. Jeder Mensch ist ein Wunder!
Humor ist, wenn man trotzdem lacht: Welche Bedeutung hat das Lachen bei Krankheit?
E.v.H.: Lachen hilft gegen Schmerzen. Das kann jeder ausprobieren: Hauen Sie sich mit einem Hammer zweimal auf den eigenen Daumen, einmal allein und dann noch einmal in Gesellschaft. Sie spüren den Unterschied. Wenn ich mit Anderen lachen kann, lässt der Schmerz nach. Deshalb sollte im Krankenhaus niemand lange allein sein und etwas zu lachen bekommen. Das ist auch die Grundidee meiner Stiftung HUMOR HILFT HEILEN. Wir bringen Clowns in Krankenhäuser und Altenheime, und vor allem stärken wir Pflegekräfte durch Workshops. Für Teams und Pflegeschüler haben wir Formate entwickelt für mehr Resilienz, Selbstfürsorge, Humor und Achtsamkeit. Wer andere pflegen soll, muss wissen, wie er sich gut pflegt.
M.K.: Ja, da stimme ich völlig zu. Mir ist Humor als Lebenshaltung wichtig. Auch über sich selbst lachen zu können, hilft. Als ich vor einer Narkose gebeten wurde, bis 10 zu zählen, habe ich gefragt, ob ich auch Psalm 23 aufsagen darf. Wenn ich nicht fertig werden würde, müsste der Anästhesist weitermachen. Bevor ich mit ihm richtig lachen konnte, war ich schon weggeschlummert.
Wenn Sie Gesundheitsminister*in wären, worauf würden Sie zuallererst achten?
E.v.H.: Die größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert ist die Klimakrise. Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten. Die Grundlage von Gesundheit kann das Gesundheitswesen nicht herstellen. Wir haben Medikamente gegen erhöhten Blutdruck, aber nicht gegen erhöhte Außentemperaturen. Der Mensch ist nur bis 41 Grad Körpertemperatur physiologisch lebensfähig. Wir hatten dieses Jahr 42 Grad. Das ist ein medizinischer Notfall, dem wir unsere ganze Aufmerksamkeit widmen müssen. Wir müssen nicht „das Klima“ retten – sondern uns!
M.K.: Ich würde zuerst auf die Kinder achten. Viel zu viele sind nicht regelmäßig bei Vorsorgeuntersuchungen. Ihre Zähne sind dann gefährdet, ihr Wachstum, ihre psychische Gesundheit. Vielleicht würde ich eine Pflicht zu halbjährlichen Untersuchungen durchsetzen.
Wie viel Vorsorge, wie viel Sorglosigkeit rund um die eigene Gesundheit braucht es im Leben?
E.v.H.: Mein Tipp für ein langes und gesundes Leben – lassen Sie alles weg, was es verkürzt. In meinem Liveprogramm „Endlich!“ bringe ich es ganz einfach auf den Punkt: 15 Jahre unseres Lebens hängen am Lebensstil. Es gibt keine Tablette, keine Operation, die uns besser schützen als fünf ganz einfache Dinge des Alltags: nicht rauchen, bewegen, Gemüse – erwachsen werden und Kind bleiben. Und wen die Langfassung interessiert, Sie sind herzlich eingeladen, in mein Programm zu kommen!
M.K.: Sich jeden Tag um die Gesundheit sorgen, das wäre doch arg selbstbezogen. Aber ich kann nicht verstehen, dass Menschen nicht regelmäßig zur Krebsvorsorge gehen. Vieles lässt sich heilen, wenn es rechtzeitig erkannt wird.
Sie beide engagieren sich stark ehrenamtlich: Welche Gesundheitsprojekte liegen Ihnen besonders am Herzen?
M.K.: Mir ist wichtig, dass auch Menschen ohne Krankenversicherung medizinisch versorgt werden. Deshalb unterstütze ich besonders gern Projekte wie die Straßenzeitung Asphalt, deren Mitherausgeberin ich bin. Da geht es auch darum, Menschen in prekären Lebenslagen Arzttermine zu ermöglichen.
E.v.H.: Wenn wir die Erde bewohnbar halten wollen, haben wir dafür nur noch wenige Jahre Zeit. Momentan steigen weiter der Treibhausausstoß, die Flüge, der Fleischkonsum, die Weltbevölkerung – das Umdenken und Umlenken muss endlich wirksam werden. In Demokratien braucht es Mehrheiten und viele Multiplikatoren in der Mitte der Gesellschaft. Deshalb investiere ich in Mitarbeiter, die sich hauptamtlich und professionell um das Thema kümmern. Ich rede auf Ärztekongressen und in Hintergrundgesprächen, möchte die Kirchen aufrütteln, auf dem Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt das Thema Bewahrung der Schöpfung zur Priorität zu machen. Jeder muss verstehen: Die Klimakrise ist echt und ernst. Sie ist menschengemacht. Deshalb sind wir auch verantwortlich, diese Erde bewohnbar zu halten und enkeltauglich zu leben. Wenn der Kern des Christentums die Nächstenliebe ist, gilt das auch für die nächsten und übernächsten Generationen. Wie im Himmel – so auf Erden.