BootsflüchtlingeAlle haben die Pflicht, vor dem Ertrinken zu retten

Privatpersonen und NGOs, die vor den Küsten des Mittelmeers in Seenot geratene Bootsflüchtlinge retten, geraten zunehmend unter Druck. Ihnen wird von den Anrainerstaaten die Hafeneinfahrt verwehrt, sie werden der Hehlerei und des Menschenhandels beschuldigt oder wegen angeblicher Ordnungswidrigkeiten angeklagt.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, ist im Juni nach Sizilien gefahren und hat unter anderem die Besatzung der „Sea-Watch 3“ getroffen. Das ist das Schiff, das mit privater Finanzierung Flüchtlinge im Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet hat, das Kapitänin Carola Rackete mit 42 Geflüchteten an Bord in einen italienischen Hafen steuerte, obwohl es untersagt war. Private Seenotrettung wird zunehmend kriminalisiert. Das ist ein Skandal. Menschen vor dem Ertrinken zu retten, ist Christenpflicht, aber doch auch Pflicht aller Menschen, weil zutiefst humanitär!

 

Ich kann nicht verstehen, warum zunehmend Menschen kriminalisiert werden, die andere retten! Wie kann es sein, dass Europa stolz darauf ist, Geflüchtete nach Libyen abzuschieben, obwohl klar ist, dass sie dort in Lagern gefoltert werden? Wie kann es ein Abkommen mit der Türkei geben, das gepriesen wird, weil so weniger Flüchtlinge nach Europa kommen – aber niemand fragt, wie es in Lagern in der Türkei aussieht?

Ich finde, das reiche Europa müsste sich schämen! Ein Land wie Libanon hat 1,2 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, offenbar sind mehrere Hunderttausend gar nicht registriert, zudem leben eine halbe Million Palästinenser seit Jahrzehnten dort in Lagern. Dabei hat der Libanon eine Einwohnerzahl von vier Millionen und ist halb so groß wie Hessen! Im Verhältnis gerechnet müsste Deutschland 24 Millionen Flüchtlinge aufnehmen.

Nein, ich bin nicht naiv. Nicht jeder Mensch auf der Flucht ist ein liebenswerter Zeitgenosse, nicht jeder wird integriert werden. Aber auch nicht jeder einheimische Deutsche ist liebenswert und manche scheinen mir ziemlich des- integriert mit ihren Pöbeleien und ihrem aggressiven Verhalten. Aber es gehört zu den Grundlagen unseres Landes, dass Menschen hier Zuflucht finden. Ob sie bleiben können, müssen Gerichte entscheiden, ja. Aber ob sie erst einmal hier- her kommen dürfen, ist eine Frage der Humanität. Und dass sie vor dem Ertrinken gerettet werden müssen, ist für mich indiskutabel, wenn Europa noch zu seinen Werten steht. Deshalb ist der #PalermoAppell absolut unterstützenswert. Die stellvertretende Ratsvorsitzende Annette Kurschus hat völlig Recht, wenn sie sagt: „Mit jedem Menschen, der ertrinkt, stirbt ein Stück der Würde Europas.“