Ein Ort, der Geschichte erzählt: Usedom

Die in der Pommerschen Bucht der südlichen Ostsee gelegene Insel gilt als die sonnenreichste Gegend Deutschlands. Kein Wunder, dass bereits im 19. Jahrhundert dort zahlreiche Seebäder entstanden. Die Spuren der Geschichte reichen aber viel weiter zurück – und sind nicht immer ruhmreich.

Ein Ort, der Geschichte erzählt: Usedom
© Monika Lawrenz

Auf Usedom bin ich eigentlich nicht zu Gast, weil ich dort 2011 ein Ferienhaus für unsere Familie kaufen konnte und somit einen zweiten Wohnsitz habe. Mich begeistert diese Insel immer wieder, wohl auch, weil sie mich an die Erzählungen meiner Mutter erinnert, die in der Nähe von Köslin, nur drei Autostunden entfernt im heutigen Polen, aufgewachsen ist.

Ich liebe besonders diese Kombination aus Strand und Buchenwald, die ich so noch nirgends gesehen habe. Der Buchenwald mit seinen so besonderen Blättern im Frühling und der wunderbaren bunten Färbung im Herbst lädt ebenso zu langen Spaziergängen ein wie der endlose Sandstrand. Bisher habe ich es immer geschafft, Ende Mai und Anfang Oktober einmal in die Ostsee zu springen. Das braucht dann aber wirklich Mut. Am schönsten ist es eigentlich im September. Dann hat sich die Ostsee aufgewärmt und der große Ansturm von Touristen in den Sommermonaten ist vorbei.

Mir ist wichtig, dass nach mehr als acht Jahren ein guter Kontakt zu den Nachbarn besteht. Wir treffen uns, tauschen uns aus. Ich bin als „Wessi“ sehr freundlich aufgenommen worden und finde interessant, zu hören, wie es in der DDR war. Die Urlaubsquartierzuteilung etwa ist ein spannendes Thema, von dem ich wenig Ahnung hatte.

Usedom ist auch ein Ort, der Geschichte erzählt, die Insel war schon im Mesolithikum besiedelt. Und auch das Christentum hat Spuren hinterlassen. Besonders gern fahre ich nach Krummin. Eine wunderbare Allee führt zum Hafen und dort sind die Spuren eines Zisterziensierinnen-Klosters zu finden.

Aber auch die jüngere Geschichte spiegelt sich auf der Insel. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Tourismus entdeckt, Usdeom wurde zur „Badewanne Berlins“. 

Eine riesige Hubbrücke wurde gebaut, um die Bahnfahrt zu verkürzen. Und es zeigte sich schon früh der Antisemitismus, das Ostseebad Zinnowitz war früh bestrebt, „judenfrei“ zu sein. Bald nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden Juden ganz von den Stränden verbannt. 

Auch das Kriegsende ist sichtbar: Auf dem Golm etwa wurden die Leichen von 20.000 Menschen bestattet, die beim Luftangriff auf Swinemünde im März 1945 getötet wurden. Jedes Mal, wenn ich dort bin, bewegt mich das. Die Kriegsgräberfürsorge hat einen kleinen Raum gestaltet, in dem Einzelschicksale erzählt werden. Es ist ein gutes Mahnmal gegen den Wahnsinn des Krieges. In Peenemünde gab es ein Testgelände für Raketen. Noch heute ist dort ein U-Boot zu besichtigen ebenso wie Reste der Heeresversuchsanstalt. In der DDR-Zeit war hier ein NVA-Standort. 

Dass der größte Teil Usedoms deutsch geblieben ist, verdankt sich der Entscheidung der Potsdamer Konferenz über die deutsch-polnische Grenze. Swinemünde wurde unter polnische Verwaltung gestellt. Und so ist die Insel auch ein Zeichen für das neue Europa. Die Menschen können sowohl am Strand als auch auf der Straße einfach die Grenze überqueren. Das ist für mich immer ein bewegendes Gefühl. Swinemünde ist die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg noch immer anzusehen. Aber an der Küste ist ein imposantes, ganz modernes Viertel entstanden mit vielen schönen Restaurants und Geschäften. Hier flanieren Polen und Deutsche munter durcheinander, alles ist zweisprachig, ein schönes Zeichen, finde ich.

Diese Insel ist nicht nur ein wunderschöner Ort, an dem ich immer Neues entdecke – Paddeln auf der Peene beispielsweise! –, sondern auch ein Ort, der die Geschichte unseres Landes spiegelt. Sie ist ein herrlicher Flecken Erde, der aber im Sommer unter dem Tourismus leidet, wenn die Durchgangsstraße so verstopft ist, dass die Einheimischen stöhnen, weil sie nicht zur Arbeit kommen. Vergessen habe ich noch das Achterwasser. Wo lässt sich schon an der Ostsee so gut ein Sonnenuntergang erleben? Es gibt da einen kleinen Friedhof am Waldrand mit Blick auf das Achterwasser – da möchte ich beerdigt werden.