Im April war ich für zwei Wochen in Israel. Zum ersten Mal war ich als junge Studentin 1978 zu Ausgrabungen auf dem Tel Akko. Das war eine Zeit der Unbefangenheit, wir haben fröhlich gegraben, über kleine Funde gestaunt und sind anschließend durchs Land getrampt. 2009 war ich auf einer offiziellen Reise mit dem Rat der EKD dort. So ein Besuch hat völlig anderen Charakter und ist von offiziellen Terminen und Begegnungen geprägt.
Dieses Jahr bin ich ganz privat gereist, habe nur hier und dort Bekannte getroffen. Mich hat Israel noch einmal neu begeistert. In einem Kibbuz am See Genezareth wurde mir ganz neu bewusst, wie klein eigentlich die Gegend war, in der Jesus zuerst gewirkt hat. Grün war es dort noch im Frühling. Du konntest dir vorstellen, wie Jesus hier mit Petrus und Andreas ins Gespräch kam. Oder wie er an einem Tag mal von Kapernaum nach Magdala ging, um Maria zu besuchen. Auch der „Berg der Seligpreisungen“ war für mich eindrücklich. Mal abgesehen von allem touristischen Kitsch: Ja, es könnte so gewesen sein, dass er weggegangen ist, sich dort oben zurückziehen wollte und dann doch zu den anderen gesprochen hat. Bei einer Bootsfahrt wurde auch klar: Der See ist nicht immer ruhig, es kann ziemlich stürmisch werden!
Und dann Jerusalem. Beim Besuch der Grabeskirche, die von Touristen aus aller Welt überlaut und übervoll war, kam mir sofort die Geschichte von der Tempelreinigung in den Sinn. Was hat das alles mit der Geschichte der Bibel zu tun? Aber auch: Das sind die Mauern dieser alten Stadt, in der sich so viel ereignete, was auch heute zwei Milliarden Menschen bewegt. Der Garten Gethsemane, hier also hat Jesus verzweifelt gebetet. An überfüllten Stätten kam bei mir keinerlei Besinnung auf, eher eine innere Abwehr gegen all den Kitsch. Aber an der Klagemauer war ich bewegt. Mir ist klar, was sie für Jüdinnen und Juden bedeutet. Ihr Gebet – nach Männern und Frauen durch einen Zaun getrennt – war oft eindrücklich und auch ich konnte dort beten.
Ein so kleines Land mit einer so großen Geschichte! Und mit einer so eindrücklichen Geografie. Das Tote Meer, 438 Meter unter dem Meeresspiegel. Kaum vorstellbar. Schwimmen ist nicht angesagt, in der Tat eher Liegen auf dem Rücken. Heute ist es ein Resort für jüdische Israelis, die dort ausgiebig Shabbat feiern. Aber da ist eben auch Masada, diese unglaubliche Festung, die Herodes gebaut hat und auf der die letzten jüdischen Kämpfer 73 nach Christus kollektiv Selbstmord begangen haben, als die Römer sie nach langer Belagerung eroberten.
Immer präsent ist die Spannung im Land. Von Tiberias nach Jerusalem muss das Auto zweimal die Grenze passieren, rein in das Westjordanland, raus aus dem Westjordanland. Dasselbe gilt für den Weg zum Toten Meer oder einen Besuch in Bethlehem.
Allenfalls in Tel Aviv scheint all die religiöse und kulturelle Auseinandersetzung weit weg. Die Stadt kommt jung und modern daher, am Strand wird Volleyball gespielt, es gibt wunderbare Straßen mit tollen Geschäften, ein Kunsthandwerkermarkt existiert direkt neben einem arabischen Basar. Nur da war ein großes Gefühl von Leichtigkeit spürbar. Aber: In den Nachrichten wurde klar, dass eine Granate aus Gaza über Tel Aviv hinweg am Tag zuvor in Netanya ein Haus zerstört hatte.
Wie leben die Menschen mit all den religiösen und politischen Spannungen? Nach meinem dritten Besuch von Yad Vashem, der beeindruckenden Gedenkstätte des Holocaust, war ich sicher: Wäre ich jüdische Israelin, ich würde vehement für unsere Position eintreten. Nach meinem Besuch im Kinderkrankenhaus von Bethlehem war ich sicher: Wäre ich Palästinenserin, ich würde vehement für unsere Position eintreten. Wenn es mir schon als Außenstehende so geht, wie soll Frieden werden? Diese Frage kann ich nicht wirklich beantworten. Vielleicht bleibt da nur die Hoffnung, die Glaubende kennen. Eine Hoffnung, dass bei Gott mehr möglich ist, als Menschen erahnen.