In Zeiten der Coronakrise sollen Großeltern und Enkel möglichst wenig Kontakt haben nach dem Motto: „Kein Corona zu der Oma.“ Viele leiden darunter. Zum einen vermissen die Enkelkinder die Großeltern, wenn sie sonst regelmäßig Kontakt zueinander haben. Zum anderen natürlich die Großeltern die Enkel. Und viele Eltern vermissen die Entlastung, die Betreuungszeiten durch Großeltern mit sich bringen. Zwischendurch habe ich mich gefragt, ob nicht vielleicht einige durch Einsamkeit in Depressionen stürzen und das schlimmer enden kann als eine Corona-Infektion. Am Ende geht es darum, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Aber es dürfen auch Menschen nicht überlastet werden durch Kontaktverbote...
Es ist schön, dass es inzwischen Medien wie Skype oder Zoom gibt. Ich selbst habe in der Coronazeit mit den Enkelkindern jeden Tag um halb 12 eine halbe Stunde geskypt und mal die „Kinder aus der Krachmacherstraße“, mal „Bullerbü“ oder auch die guten alten Märchen der Brüder Grimm vorgelesen. Das hat nicht immer gut funktioniert, weil das Alter verschieden ist, aber manchmal auch sehr gut. Und doch ist es etwas völlig anderes, ein Kind auf dem Schoß zu haben, miteinander zu blättern, die Bilder anzuschauen, als so virtuell vorzulesen. Großeltern, die nicht digital vernetzt sind, wurden angerufen, manche schrieben Briefe, Enkel malten Bilder. Ich denke, die Krise hat auch Kreativität hervorgebracht, in Kontakt zu bleiben. Einander vermissen – das zeigt eben auch, dass Bindung da ist.
Wie dankbar bin ich, dass alle meine Kinder und Enkel in Deutschland leben. Auf einer Reise nach Neuseeland habe ich eine Frau kennengelernt, deren Tochter und Enkeltöchter dort leben. Sie kann sich die weite Reise nur einmal im Jahr leisten. Es ist dann eine sehr intensive Zeit miteinander, aber es tut weh, sich so selten sehen zu können. Und sie fragte sich auch, wie lange sie die Strapazen so einer Reise in ihrem Alter kräftemäßig noch würde bewältigen können.
Aber es gibt auch bewusste Kontaktsperren. Ein Mann schrieb mir kürzlich einen langen Brief, in dem er seinen Kummer darüber schilderte, dass seine Kinder jeden Kontakt verweigern, er darf die Enkel nicht sehen. In einer Sendung von „Planet Wissen“ zum Thema Großeltern wurde ein ähnlicher Fall geschildert. Eine Großmutter hatte vor Gericht ein „Umgangsrecht“ erstritten. Aber der Enkel kam nicht mehr gern, am Ende hat sie aufgegeben. Ich finde so eine Situation unendlich traurig. Was immer in einer Familie vorgefallen ist, Eltern sollten um ihrer Kinder willen ihnen die Großeltern nicht entziehen. Mit der Ausnahme natürlich, dass sie vermuten, den Kindern könnte Gewalt angetan werden. Für Kinder ist es wichtig, die ältere Generation kennen zu lernen. Sie können Fragen stellen: Wie war das in der Kindheit von Mama oder Papa? So ordnen sie auch ihre Eltern anders ein, sie begreifen: Die waren ja auch mal Kind wie ich.
Ich konnte dem älteren Herrn nur zurückschreiben, dass er seinen inneren Frieden für sich finden muss. Aber ich hätte ihm gewünscht, dass es statt Hartherzigkeit Großherzigkeit und Versöhnung gibt. Denn wenn er eines Tages stirbt, gibt es keine Gelegenheit mehr, das nachzuholen. Und ich habe manches Beerdigungsgespräch erlebt, in dem die Hinterbliebenen bedauert haben, dass nicht mehr nachzuholen war, was noch hätte gesagt werden sollen.
Ob der Kontakt durch Ansteckungsgefahr, räumliche Distanz oder bewussten Abbruch gefährdet ist – es ist zutiefst traurig, wenn Enkel und Großeltern sich nicht sehen können, sich nicht erleben.
Insgesamt aber zeigen Studien, dass die Großelterngeneration regelmäßig die Enkel betreut, den jungen Familien bei Geldsorgen zur Seite steht und die jüngere Generation ebenso für die Älteren sorgt, wenn sie den Beistand der Familie brauchen. Das ist schön, darüber können wir uns freuen in unserem Land. Und: Großeltern geben auch den christlichen Glauben weiter. Sie erzählen die biblischen Geschichten, tradieren Lieder und Gebete. Darüber wird selten gesprochen, aber das war schon immer so und wird so bleiben. Darüber freue ich mich auch.