2017 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erklärt, der Staat dürfe einem unheilbar kranken Menschen im extremen Einzelfall den Zugang zu einem Betäubungsmittel, das dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht, nicht verwehren. Alle Anträge auf ein solches Mittel wurden aber durch das Bundesgesundheitsministerium abgelehnt. In diesem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, es gebe nicht nur ein Recht zu leben, sondern auch ein Recht zu sterben. Daher müsse es erlaubt sein, einen Menschen beim selbstbestimmten Suizid zu unterstützen. Dieses Grundsatzurteil muss jetzt dringend mit klaren Rechtsregelungen unterfüttert werden. Aber es scheint, als ob das Bundesgesundheitsministerium daran nicht wirklich interessiert ist. Seit dem Urteil im Februar ist nichts zu hören, außer dass Stellungnahmen eingeholt wurden.
Klar ist: Es gibt zum Glück heute Palliativmedizin. Sie ermöglicht Menschen, schmerzfrei in den Tod zu gehen. Dabei wird in Kauf genommen, dass sich der Sterbeprozess verkürzen kann, etwa aufgrund der Morphine. Für mich persönlich wäre das die beste Lösung. Annehmen, dass ich sterbe, das Leben nicht verlängern durch eine Magensonde, künstliche Ernährung oder Beatmungsgeräte. Das habe ich mit meiner Patientenverfügung geklärt, das wissen die beiden Personen, denen ich eine Betreuungsvollmacht übertragen habe.
Ich denke, viele haben heute fast Mühe mit dem Sterbenlassen. Da wird die alte Dame nach einem Herzinfarkt fast brutal zurück ins Leben geholt, der alte Herr wird gezwungen, Nahrung zu sich zu nehmen. Ich finde wichtig, das vorher zu klären! Deshalb ist das Wichtigste: Lasst uns darüber reden, wie wir sterben wollen!
Wenn jetzt Beihilfe zum Suizid erlaubt wird, ist wichtig zu erklären, wie sie aussehen kann. Die römisch-katholische Kirche lehnt die Erlaubnis insgesamt ab. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat sich klar positioniert: Er befürwortet die Karlsruher Entscheidung, aber sie müsse auf wenige Einzelfälle beschränkt werden. Genau das bedarf einer gesetzlichen Regelung. Ich wundere mich, dass hier keinerlei Druck zu bestehen scheint.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass einfach alle, die nicht mehr leben wollen, Zugang zu einer tödlichen Dosis Gift erhalten. Denn es kann ja auch sein, dass jemand schlicht Liebeskummer hat, an einer Depression leidet, die gut behandelt werden kann, oder den Eindruck hat, es sei besser zu gehen, damit er oder sie anderen nicht zur Last fällt. Da muss es Verfahren geben, in denen beispielsweise der Hausarzt nach einer ausführlichen Beratung in vertrauensvoller Atmosphäre mit dem Patienten oder der Patientin zu einem solchen Schluss kommt. Wahrscheinlich sollte eine zweite ärztliche Meinung oder eine Person des Vertrauens hinzugezogen werden. Corona hin oder her: Wir brauchen eine Debatte darüber, und zwar schnell. Sie kann gern kontrovers sein, aber am Ende muss es klare rechtliche Regelungen geben.